"Chicago Youth Liberation for Palestine", Chicago, Illinois, USA. 31.12.2023. / Photo: Reuters (Reuters)
Folgen

Im gesamten Nahen Osten und in Asien haben Social-Media-Aufrufe und Boykotte die US-amerikanischen Fast-Food-Ketten getroffen. Grund dafür ist die ihnen nachgesagte Unterstützung für Israel – vor allem mit Blick auf den Krieg gegen Gaza.

Nach palästinensischen Angaben wurden seit dem 7. Oktober mehr als 30.000 Menschen durch Angriffe Israels getötet. Mit Blick auf diese Zahlen verschärften die Verbraucher ihren Boykott gegen Pizza Hut und McDonald´s. Berichten zufolge stellten diese Franchise-Unternehmen dem israelischen Militär kostenlose Mahlzeiten zur Verfügung.

Die Boykottaktionen werden von der pro-palästinensischen Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) unterstützt. Seit fast 20 Jahren übt BDS Druck auf Israel aus, damit es seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt – einschließlich des Rückzugs aus den besetzten Gebieten in Palästina. Dazu gehört auch die Gewährung gleicher Rechte für alle Bürger – einschließlich der arabischen.

Weitreichende Wirkung

Die Aktien von Starbucks, ein Hauptziel des Boykotts, verloren im November 2023 um 8,96 Prozent an Wert – innerhalb von 19 Tagen. Das führte zu Verlusten in Höhe von 11 Milliarden US-Dollar – der deutlichste Rückgang in der Unternehmensgeschichte.

Auch der jüngste Bilanzbericht im Januar lieferte düstere Ergebnisse – sowohl in den USA als auch im Ausland.

Während einer Telefonkonferenz bestätigte Starbucks-CEO Laxman Narasimhan, dass sich die Ereignisse im Nahen Osten negativ auf das Geschäft ausgewirkt hätten.

Aktivisten hatten argumentiert, dass der Ex-Starbucks-CEO Howard Shultz, der zugleich gemäßen an den Aktien der größte private Eigentümer des Unternehmens ist, in die Wirtschaft Israels investiert.

Das Unternehmen hat nun seine nationalen und internationalen Umsatzziele für 2024 gesenkt, während sein Franchisenehmer im Nahen Osten, die Alshaya Group, mehr als 2.000 Menschen entlassen will.

Auch McDonald's spürt die Krise, nachdem es im Februar 2024 den ersten vierteljährlichen Umsatzrückgang seit fast vier Jahren erlebt hat. Er ließ die Aktien des Unternehmens um 4 Prozent fallen. Das Geschäft war besonders in muslimischen Ländern wie Malaysia und Indonesien betroffen, wobei die größten Auswirkungen im Nahen Osten zu spüren waren.

McDonald's. 04.03.2024. (Others)

„Solange dieser Konflikt, dieser Krieg andauert, machen wir keine Pläne und erwarten keine nennenswerte Verbesserung“, sagte Chris Kempczinski, Präsident und CEO von McDonald’s, während eines Gesprächs mit Investoren im Februar.

Das Umsatzwachstum für den Geschäftsbereich der Fast-Food-Kette, das den Nahen Osten, China und Indien im Zeitraum Oktober bis Dezember 2023 umfasst, lag mit 0,7 Prozent weit unter den Markterwartungen von 5,5 Prozent.

Uzma Farhan, eine in Pakistan ansässige Markenstrategie-Beraterin, sagt, dass McDonald´s durch lokale Marken mit gesünderen Optionen bereits einer starken Konkurrenz ausgesetzt sei.

„(McDonalds) war für viele zu einer Wochenendbeschäftigung geworden – eine Gewohnheit, die nun seit Monaten gebrochen ist. Das Aufgeben einer Verbrauchergewohnheit kann sich für jede Marke als fatal erweisen. Die Vorliebe für lokale Marken hat zugenommen. Die Menschen haben günstigere Alternativen gefunden“, so Farhan.

Auch Coca-Cola offenbarte bei einer Telefonkonferenz Geschäftseinbußen. Zu den Statistiken des vierten Quartals von 2023 sagte ein Sprecher der Getränkeriesen, die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten hätten „zu einigen Veränderungen im Verbraucherverhalten geführt“, die sich auf das Geschäft ausgewirkt hätten.

Ähnlich erging es dem Nestlé-Konzern. Auch hier wurde im Nahen Osten eine Zurückhaltung bei den Verbrauchern beobachtet und zugleich eine Hinwendung zu lokalen Produkten.

„Der Konflikt im Nahen Osten hat zu einem gewissen Druck auf globale Verbrauchermarken geführt. Einige unserer Produktangebote wurden im vierten Quartal in manchen Märkten beeinträchtigt“, sagte Nestlé-Finanzvorstand Francois Roger im Februar.

Um Kunden zurückzugewinnen, senkte Starbucks Ägypten im November die Preise einiger Menü-Favoriten drastisch – bis zu 78 Prozent. Im selben Monat führte McDonald's Pakistan Rabatte von fast 60 Prozent ein, nachdem es im Land Boykott-Kampagnen gegeben hatte.

„Das Anbieten von Rabatten zeigt, dass der Boykott den Umsatz beeinträchtigt hat. Es gab den Verbrauchern die Gewissheit, dass ihre Bemühungen funktionierten“, sagte Farhan. Sie fügte hinzu, dass zu Beginn des Boykotts Menschen vor McDonald's-Filialen in Pakistan standen, um andere daran zu hindern, hineinzugehen.

„McDonald's hat außer den Rabatten keine einzige Social-Media- oder Mainstream-Kommunikation betrieben. Dies wird von den Verbrauchern als Sieg interpretiert und hat McDonald's verzweifelt aussehen lassen.“

Der amerikanische Fast-Food-Riese musste seine Filiale in Khyber Pakhtunkhwa, Pakistans viertgrößter Provinz an der Grenze zu Afghanistan, vorübergehend schließen, nachdem Demonstranten dort Transparente ngebracht hatten.

Aktivistin fordert Fokus auf BDS-Boykott

Jinan Deena, eine palästinensisch-amerikanische Aktivistin und Köchin mit fast 6.000 Followern auf Instagram, boykottiert seit 2003 israelische Produkte und Unternehmen. In jenem symbolischen Jahr wurde die Friedensaktivistin Rachel Corrie von einem israelischen Bulldozer bei einer Haus-Zerstörung in Gaza überfahren.

Die amerikanische Friedensaktivistin Rachel Corrie, 23, versucht am 16. März 2003 im Flüchtlingslager Rafah in Gaza, einen israelischen Bulldozer daran zu hindern, palästinensisches Land zu zerstören. Corrie wurde von einem israelischen Bulldozer überfahren und im Sand begraben (Foto von International Solidarity Movement/Getty Images). (Others)

Deena sagt, sie sei im Laufe der Jahre zu einer bewussten Verbraucherin geworden, die sich vor dem Kauf über Marken informiert und andere dazu ermutigt, dasselbe zu tun.

„Ich konzentriere mich auf den Boykott von Unternehmen, die die Besatzung direkt finanzieren und die von der BDS-Bewegung auf ihrer Website aufgeführt werden“, so Deena zu TRT World.

„In letzter Zeit haben Menschen jene Marken boykottiert, die für Israel Partei ergriffen haben. (...) Obwohl ich zustimme, dass sie aus moralischen Gründen boykottiert werden müssen, sind diese Boykotte nicht so effektiv wie die auf der BDS-Website aufgeführten.“ Die Menschen müssten ihre Bemühungen neu ausrichten, um eine echte Wirkung zu erzielen, sagt Deena.

Eine Kraft, mit der man rechnen muss

Der Krieg gegen Gaza hat eine Boykottbewegung wiederbelebt, die bereits 1945 begann, als die Arabische Liga gegründet wurde. Ziel waren Israelische Unternehmen und in Israel hergestellte Waren. Der Wirtschaftsboykott war ein Versuch, Israel zu isolieren und zu schwächen.

Die von allen arabischen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika übernommene Strategie hat in den vergangenen Jahren bei einigen Nationen an Dynamik verloren. Denn es wurden Abkommen mit Israel geschlossen und Beziehungen normalisierten sich.

Die jüngsten Kampagnen haben jedoch die wachsende Kaufkraft der zwei Milliarden Muslime auf der Welt gezeigt. Laut dem US-amerikanischen Forschungsunternehmen DinarStandard lag dieser Wert im Jahr 2022 bei 2,29 Billionen US-Dollar.

„Muslime haben eine enorme Kaufkraft“, sagt Ayub Khan Zakori, CEO der Zakori Group, die vier Fast-Food-Ketten in Pakistan betreibt.

„Das ist eine Macht, über die bisher selten besprochen wurde. Aber wenn man sich die Geschichte anschaut, gehörten Muslime schon immer zu den wirtschaftlich Stärksten“, sagt Zakori im Gespräch mit TRT World.

„Im Gegensatz zu westlichen Volkswirtschaften sind Muslime auf der ganzen Welt nicht so stark von Plastikgeld und Hypotheken abhängig. Sie sind oft reich an Bargeld, daher gibt es große Unterschiede in der Finanzkraft. Das ist auch der Grund, warum globale Fast-Food-Ketten Halal-Zertifizierungen an ihren Produkten ausweisen. Sie wissen, dass ein großer Teil der Verbraucherbasis muslimisch ist.“

Experten sagen, dass ein Teil der Muslime in Solidarität mit den Palästinensern ihre Ausgaben auf lokale Marken verlagert habe. Es handelt sich dabei nicht nur um Verbraucher. Im Jahr 2023 kamen in Türkiye das Parlament, die Kommunen, die Staatsbahn und Turkish Airlines zusammen, um die Boykott-Bewegung zu unterstützen.

Die Veränderungen beim Verbraucherverhalten kamen den einheimischen Marken zugute: In den Vereinigten Arabischen Emiraten expandierte das lokale Restaurant Drip Burgers. Die saudi-arabische Fast-Food-Ketten Al Baik und Al Tazaj eröffneten mehrere neue Filialen. um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. In Pakistan ersetzten vielerorts die lokalen Getränkemarken Fizup und Pakola Erfrischungsgetränke von Coca-Cola und Aquafina.

Innerhalb des Landes verzeichnete die Zakori-Gruppe einen Umsatzanstieg von 40 bis 50 Prozent bei ihren beiden Fast-Food-Marken Ranchers Cafe und Piyali. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, hat die Gruppe seit Oktober 700 Ranchers-Mitarbeiter eingestellt und damit ihre Belegschaft auf 2.200 Personen erhöht.

Außerdem implementierte das Unternehmen spezielle Software, um die Digitalisierung seiner Finanz-, Lieferketten- und Produktionsprozesse zu unterstützen.

„Wir haben uns in den vergangenen sechs Monaten stark weiterentwickelt“, sagt Zakori. „Ranchers ist mittlerweile eine der am schnellsten wachsenden Fast-Food-Ketten in Pakistan. Wir haben sieben Filialen im Bau, die wir während des Ramadan und danach eröffnen werden. Bis Ende dieses Jahres planen wir die Eröffnung unserer ersten ausländischen Filiale in Großbritannien oder den USA.“

Emotionale Bewegung

Zakori betreibt außerdem zwei internationale Fast-Food-Franchises, die britische Fish-and-Chips-Marke Mr. Cod und die finnische Kaffeehauskette Robert’s Coffee, die von den Boykotten betroffen waren.

„Bei Robert’s Coffee verzeichneten wir einen Umsatzrückgang von 8 bis 9 Prozent, obwohl die Leute wissen, dass diese Marken keine Verbindung zu Israel haben. Aber nur weil es eine internationale Marke ist, haben die Leute sie gemieden“, sagt Zakori. Hier müssten die Verbraucher praktisch sein und die Folgen ihrer Boykotte abwägen.

„Bei Ranchers zum Beispiel beschäftigen wir 2.200 Mitarbeiter, was 2.200 Familien bedeutet, und Gott weiß, wie viele Menschen damit verbunden sind – und wir haben nur elf Filialen. McDonald's hingegen hat Hunderte von Filialen. Können Sie sich vorstellen, wie viele Arbeitsplätze sie schaffen? Das ist also etwas, das sorgfältig überlegt werden muss. Im Moment ist es eine emotionale Bewegung. Wir wollen bestimmte Marken meiden, aber schaden wir uns damit nicht selbst?

Eine dauerhafte Veränderung?

Ob die neuen Kaufgewohnheiten der Verbraucher dauerhaft sein werden und das lokale Ökosystem ankurbeln, hänge davon ab, wie gut lokale Marken die Qualität ihrer Produkte aufrechterhalten würden, sagt Dr. Mohamed Aly Fattah, Dozent an der American University of Cairo und Vorsitzender der ägyptischen NGO Nahdet El Mahrousa.

„Die klugen Unternehmen sind diejenigen, die ihre Produktion vorübergehend steigern und das zusätzliche Einkommen nutzen, um eine bessere Qualität von Produkten und Dienstleistungen sicherzustellen, die längerfristig konkurrenzfähig sind. Die unklugen Unternehmen haben stark in Wachstum investiert und könnten mit einem Cashflow konfrontiert sein, sobald der Boykott vorbei ist“, so Fattah zu TRT World.

Ein Demonstrant hält während einer Kundgebung zur Unterstützung der Menschen aus Gaza in den palästinensischen Gebieten am 1. März 2024 in Madrid ein Schild mit der Aufforderung zum Boykott Israels (AFP/Thomas Coex). (Others)

Zakori sagt, er erwarte, dass viele Menschen zu den boykottierten internationalen Marken zurückkehren würden, sobald der Krieg in Gaza vorbei sei. „Wir vergessen sehr leicht Dinge, einschließlich früherer Kriege, Völkermorde und sogar Covid, was erst ein paar Jahre her ist. Treffen wir noch Vorsichtsmaßnahmen?“

Fattah sagt, er glaube, dass die Bewegung allmählich an Schwung verlieren werde, da es sich eher um eine emotionale Reaktion auf die Brutalität handele, die vor allem Kindern widerfahre. „Ich denke, diejenigen, die sich aufgrund des öffentlichen Drucks dieser Bewegung angeschlossen haben, werden wieder zum Konsum dieser Marken zurückkehren.“

„Die einzigen, die ich sehe, die weiterhin boykottieren werden, werden die Palästinenser und enge Verbündete sein. Sie verstehen, dass diese Arbeit langfristig ist und Unterstützung braucht, damit sie wirksam ist“, sagt er.

Auch Farhan ist vorsichtig optimistisch und geht davon aus, dass die Boykotte nachhaltige Auswirkungen haben werden – selbst wenn der Konflikt vorbei ist. „Der (Krieg) hat einen emotionalen Ausbruch hervorgerufen, und das wird angesichts der Art von Bildern, die wir aus Gaza gesehen haben, nicht so leicht vergessen.“

Zakori hofft, dass Verbraucher die neu entdeckten lokalen Marken aufsuchen und dabei bleiben. „Die Boykotte haben den Menschen die Möglichkeit gegeben, lokale Marken auszuprobieren. Jetzt kommt es darauf an, ob die Unternehmen diese Kunden binden können. Das kann nur gelingen, wenn wir Qualität und Service liefern.“

TRT Deutsch