In Indien haben sich am Dienstag Vermutungen verdichtet, wonach Regierungschef Narendra Modi den offiziellen Namen seines Landes abschaffen und in „Bharat“ ändern will. In einem offiziellen Schreiben an die Teilnehmer des G20-Gipfels am Wochenende lädt Präsidentin Draupadi Murmu die Staats- und Regierungschefs als „Präsidentin von Bharat“ zu einem Staatsbankett ein.
Wie der Fernsehsender News18 unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, bereiten Abgeordnete von Modis Regierungspartei zudem eine Resolution vor, um die Bezeichnung „Bharat“ gegenüber Indien zu bevorzugen. Die Regierung hat für Ende des Monats eine Sondersitzung des Parlaments einberufen, hält sich aber hinsichtlich ihrer Pläne bislang bedeckt.
„Bharat“ bereits offizielle Abkürzung für „Indische Republik“
Der Name „Bharat“ geht auf alte, auf Sanskrit verfasste Hindu-Schriften zurück und bezeichnet historische Gebiete auf dem indischen Subkontinent. Er zählt zu den beiden offiziellen, in der Verfassung verankerten Bezeichnungen für das Land. Mitglieder von Modis hindu-nationalistischer Regierungspartei BJP hatten sich zuvor gegen die Verwendung des bekannteren Namen „Indien“ ausgesprochen, der seine Wurzeln in der westlichen Antike hat und während der britischen Kolonialzeit eingeführt wurde.
Während Mitglieder von Modis BJP das Vorhaben unterstützten, reagierten Oppositionspolitiker empört. „Ich hoffe, dass die Regierung nicht so töricht sein wird, auf ‚Indien‘ komplett zu verzichten“, sagte Shashi Tharoor von der oppositionellen Kongresspartei im Online-Dienst X (vormals Twitter). Anstatt den „Anspruch auf einen geschichtsträchtigen Namen“ aufzugeben, der weltweit anerkannt sei, sollten „weiterhin beide Namen verwendet“ werden.
BJP will Emanzipation von Kolonialzeit
Der ehemalige Kricket-Spieler Virender Sehwag begrüßte hingegen die Aussicht auf eine mögliche Namensänderung des Landes. Indien sei ein „von den Briten“ vergebener Name, erklärte er. Eine Änderung in „Bharat“ sei „längst überfällig“. Er rief den nationalen Kricket-Verband auf, „Bharat“ auch auf Nationaltrikots zu drucken.
In ihrem Bemühen um Emanzipation von der britischen Kolonialzeit ist Modis Regierung seit langem bestrebt, Symbole der Kolonialherrschaft aus den Geschichtsbüchern, dem Stadtbild und den Institutionen Indiens zu tilgen. Zuletzt kündigte sie Reformen im Strafgesetz an. Eine mögliche Namensänderung des Landes könnte im Zuge dessen der bislang weitreichendste Schritt sein.
Ehemalige Kolonien wehren sich gegen Fremdeinflüsse
Indien ist nicht das einzige Land, das seine koloniale Vergangenheit überwinden will. Auch in mehreren afrikanischen Staaten haben sich in den letzten Jahren Bewegungen gegen den Einfluss ehemaliger Kolonialmächte aus Europa gebildet. Hierzu gehört der jüngste Militärputsch im zentralafrikanischen Gabun. Die Putschisten warfen dem gestürzten Präsidenten Ali Bongo vor, eine „Marionette“ von Frankreich, des ehemaligen Kolonialherrschers, zu sein und die Interessen des Landes zu verraten.
Einige EU-Staaten, darunter Frankreich, haben in Afrika immer noch eine starke Präsenz – vor allem in ihren ehemaligen Kolonien. Sie unterhalten dort militärische Basen, unterstützen wirtschaftlich sowie politisch ihre lokalen Verbündeten und intervenieren bei Konflikten oder Krisen. Viele Afrikaner stufen jedoch diese Rolle der betroffenen EU-Länder als neokolonial ein und fordern mehr Souveränität und Selbstbestimmung.