Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran scheint nach der Ermordung von Kassem Soleimani seinen bisherigen Höhepunkt erreicht zu haben. Der Tod des Chefs der Al-Kuds-Einheiten hat symbolischen Charakter. Denn die Einheit stellt die Elitetruppe innerhalb der iranischen Revolutionsgarden dar. Der Angriff kann daher auch als indirekt auf Ajatollah Ali Chemenei gerichtet bewertet werden, dem die Al-Kuds-Einheiten unterstellt sind. Im Iran war Chemenei beliebt – nicht nur bei der Führung, sondern auch innerhalb der Reformkräfte und der Opposition.
Die Rolle der Eliteeinheit Irans im Ausland
Die Al-Kuds-Einheiten sind hauptsächlich im Ausland aktiv. Dort unterstützen sie Gruppen, die pro-iranisch eingestellt, aber nicht zwangsweise schiitisch sind. Insbesondere im Kampf gegen Daesh spielten sie in Vergangenheit eine wichtige Rolle. Unterstützt haben sie aber auch jene Milizen in Syrien, die an der Seite von Machthaber Baschar Al-Assad kämpfen. Deshalb sind sie innerhalb der syrischen Opposition verhasst.
Im Iran selbst war Kommandant Chemenei beliebt – über alle politischen Strömungen hinweg. Die iranische Führung hat bereits Vergeltung für seinen Tod angekündigt. Wie diese aussehen wird, steht offen.
Schon am Wochenende hatten die USA Stellungen der Schiiten-Miliz Hisbollah im Irak angegriffen, die Verbindung zu den iranischen Eliteeinheiten pflegen. Die USA machen die Gruppe für das Attentat auf einen US-Diplomaten verantwortlich. Die Wut auf die US-Bomben entlud sich schließlich an der US-Botschaft in Bagdad, wo es am Dienstag und Mittwoch zu Unruhen kam.
Das Pentagon ging aber noch einen Schritt weiter und tötete Soleimani. Er habe aktiv an Angriffsplänen auf US-Bürger gearbeitet, so die Behauptung. Beweise dafür fehlen – wie so oft.
Ein Konflikt mit langer Vorgeschichte
Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat aber noch viel weitreichendere Dimensionen. Es geht um die Vormachtstellung im erdölreichen Nahen Osten. Der Iran als starker Akteur in der Region steht daher nicht nur im Fadenkreuz der USA: Israel - und jene arabischen Staaten innerhalb der Saudi-Allianz, die auch im Jemen-Krieg aktiv sind – wollen den Iran politisch und wirtschaftlich schwächen.
Die rechtsgerichtete Regierung Israel, die enge Beziehungen zur Trump-Administration pflegt, sehnt schon seit längerem einen US-Angriff auf den Iran herbei - und wirbt öffentlich dafür. Auf internationale Bühne wettert die Regierung von Benjamin Netanjahu regelmäßig gegen die angeblichen Bestreben des Irans zum Bau der Atombombe. Die Israel-Lobby spielte daher auch eine entscheidende Rolle bei der Aufkündigung des 2016 durch die Regierung von Barack Obama ausgehandelten Atomabkommens zwischen den USA und dem Iran durch die Trump-Regierung im Mai 2018. Dieser sollte die Urananreicherung des Landes regulieren – was laut der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) auch gut geklappt hat. Nach dem Vertragsbruch durch die USA folgten weitreichende Sanktionen gegen den Iran, womit die Wirtschaft des Landes empfindlich getroffen werden sollte. So sah sich dann auch der Iran im Recht, sich nicht mehr an die Vertragsvorgaben halten zu müssen.
Im Anschluß überschlugen sich die Ereignisse. Im Sommer 2019 verlagerte sich die Krise auf die Straße von Hormus im persischen Golf. Die Meerenge ist von strategischer Bedeutung, weil dort rund ein Fünftel des weltweit geförderten Erdöls transportiert wird. Im Mai 2019 erfolgte gerade dort ein erster Angriff auf vier Handelsschiffe, wofür der Iran verantwortlich gemacht wurde – obwohl keine eindeutigen Beweise vorlagen. Gleiches passierte nach den Attacken auf ein norwegisches und japanisches Handelsschiff im Juni 2019.
Nur wenige Tage später schießt der Iran eine US-Spionagedrohne ab – die laut der iranischen Führung den Luftraum des Landes verletzte. Trump bewilligt daraufhin Vergeltungsaktionen, die er aber in letzter Minute absagt - um iranische Todesopfer zu vermeiden, wie er später erklärt.
Es folgten weitere Ereignisse mit gegenseitigen Schuldzuweisungen bis die Krise unerwartet das saudische Festland traf. Im Oktober erfolgte ein Angriff auf zwei eigentlich hochgesicherte Ölanlagen. Auch hier wurde der Iran als Hauptschuldiger gebrandmarkt. Der Iran habe die schiitischen Huthi-Milizen im Jemen mit einer Kampfdrohne ausgerüstet, so der Vorwurf der USA, dem sich auch Saudi-Arabien anschloss. Die Beweislage sah aber auch hier ziemlich mager aus. Einige vermuten Israel hinter den Angriffen. Denn eine Eskalation des Iran-USA-Konflikts wäre ganz im Interesse der zionistischen Anti-Iran-Kampagnen.
Im Jemen führt die Saudi-Allianz, der unter anderem auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Ägypten angehören, seit 2015 Angriffe gegen die Regierungsgegner durch. Das Bündnis wird durch die USA und Großbritannien logistisch und technisch unterstützt. Ohne deren Hilfe wäre eine derart groß angelegte Militäraktion kaum möglich. Die Allianz konnte dennoch keine nennenswerte Fortschritte erzielen. Am Boden fügten die Huthi-Milizen, trotz archaischer Kriegsführung, der hochgerüsteten Saudi-Allianz einen empfindlichen Schaden zu.
Die Gefahr eines Flächenbrandes
Die aktuelle Krise im Irak könnte zu einem Flächenbrand werden, wenn die USA ihre Angriffe weiterführt und ausweitet. Die USA wären so einem asymmetrischen Krieg im Nahen Osten ausgesetzt, der kaum zu gewinnen wäre. Das dürfte nicht von Interesse für die Trump-Regierung sein. Der Iran, der sich seiner militärischen Unterlegenheit sicherlich bewusst ist, würde von sich aus keinen großen Krieg provozieren. Wichtig ist auch die Tatsache, dass der Iran in naher Vergangenheit keinen Angriffskrieg geführt hat. Anders die USA, die allein im 20. Jahrhundert für viele blutige Kriege verantwortlich sind.
So wurde auch der Dritte Golfkrieg 2003 zum Sturz Saddam Husseins durch die USA in die Wege geleitet. Die Regierung von George W. Bush hatte behauptet, dass der Irak an einem geheimen Atomwaffenprogramm arbeitet und über mobile Labore für chemische und biologische Waffen verfügt. Das stellte sich später als grosse Lüge heraus - um in den Irak einzumarschieren. Der Krieg destabilisierte das Land nachhaltig. Die mehrheitlich schiitische Bevölkerung war unter der sunnitisch geprägten Diktatur Saddam Husseins benachteiligt.
Nach dessen gewaltsamen Sturz änderten sich die Machtverhältnisse. Die Schiiten erlangten wichtige Positionen im neuen politischen System. Nun wurden die Sunniten außen vor gelassen. Dadurch entstanden verschiedene Widerstandsgruppen, darunter auch die Terrororganisation Daesh. Diese richteten sich nicht mehr nur gegen die US-Besatzung: Es entstanden konfessionelle Auseinandersetzungen. Der Iran sah sich daraufhin gezwungen, schiitische Milizen im Irak im Kampf gegen Daesh auszubilden.
Der Iran kann selbst auf starke Partner wie Russland und China zählen, die in dem Golfstaat einen wichtigen Verbündeten sehen. Über den Iran können diese beiden Länder ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Region geltend machen - und zugleich ein Gegengewicht zu den USA und seinen arabischen Verbündeten erzeugen.