Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, hat die Nahost-Politik der Bundesregierung scharf kritisiert. „Die Bundesregierung hat diesen ganzen Konflikt hindurch eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vorgenommen“, sagte Duchrow am Samstag im Deutschlandfunk. „Das schadet den Menschenrechten und dem Völkerrecht."
Amnesty beobachte, „dass das humanitäre Völkerrecht, an das Israel gebunden ist, nicht eingehalten wird“, sagte Duchrow.
Die Amnesty-Funktionärin kritisierte zudem die Argumentation mit der sogenannten Staaträson, zu der die Bundesregierung die Sicherheit Israels zählt. „Die Staatsräson, so wie sie jetzt von der Bundesregierung immer wieder nach vorne gestellt wird, stellt sich über das Recht, über das Völkerrecht, zu dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat“, sagte Duchrow. Damit untergrabe die Staatsräson das Recht letztlich.
Haltung der Bundesregierung wird „langfristige Folgen haben“
Zur Frage, welches Vorgehen jetzt sinnvoll sein, sagte Duchrow, „man muss sich einsetzen für einen Waffenstillstand. Es braucht einen Waffenstillstand und einen Stopp von Waffenlieferungen.“ Dies diene dem Schutz der Zivilbevölkerung und der israelischen Gefangenen.
Die aktuelle Haltung der Bundesregierung werde „langfristige Folgen haben“, warnte Duchrow. „Wir erleben, das internationale Organisationen, aber auch andere Staaten sich von Deutschland abwenden und die Zugänge, die wir hatten im politischen Bereich, dadurch auch geschlossen werden“, sagte die Amnesty-Generalsekretärin.
Der Menschenrechtsorganisation wird immer wieder vorgeworfen, einseitig israelkritisch zu sein. Duchrow wies das zurück. „Unsere Grundlage sind die Menschenrechte und die gelten universell“, sagte sie im Deutschlandfunk. „Wir sind da wirklich parteilos.“
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten getötet.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Doch auch dort sind sie israelischen Angriffen ausgesetzt. Zudem herrscht eine akute Hungerkrise, die Hungertote fordert.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mindestens 42.100 Menschen getötet und mehr als 98.300 verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.