Der Oberste Wahlrat (YSK) – das oberste Wahlgremium des Landes – wird den bedeutenden demokratischen Prozess überwachen, bis die letzten Stimmen ausgezählt sind und die Gewinner feststehen.
Während gerade der Wahlkampf auf Hochtouren läuft und die Wähler sich darauf vorbereiten, ihren nächsten Präsidenten und ihre nächsten Parlamentarier zu wählen, geben wir einen Überblick über den komplexen Prozess zur Gewährleistung freier und fairer Wahlen in Türkiye.
Frieden und Sicherheit
Nach Angaben des türkischen Innenministeriums werden am Wahltag rund 600.000 Sicherheitskräfte in 81 Provinzen im Einsatz sein, um die Sicherheit der Wahlen zu gewährleisten, darunter 326.387 Polizeibeamte, 196.197 Gendarmen, 7.000 Mitarbeiter der Küstenwache, 58.658 Sicherheitsbeamte und 17.209 private Sicherheitsbedienstete.
Darüber hinaus wird ein Netz von Überwachungskameras, die an strategischen Orten installiert wurden, ein Auge auf potenzielle Provokateure haben.
Wie bei früheren Wahlen auch, werden die Aufnahmen der Überwachungskameras und alle Daten im Zusammenhang mit der Wahlsicherheit in Echtzeit im Koordinationszentrum für Wahlsicherheit der Generaldirektion für Sicherheit, der nationalen Zivilpolizei mit Sitz in Ankara, überwacht und ausgewertet.
Bei den letzten landesweiten Wahlen nahmen mehr als 50.000 Kameras ununterbrochen Videos von Kreuzungen, wichtigen Punkten und den Routen auf, die die Menschen zu den Wahllokalen nahmen.
Die Beamten des Koordinationszentrums, die am Wahltag schon sehr früh mit ihrer Arbeit beginnen werden, verfolgen ihre Aufgaben bis zum Abschluss der Stimmenauszählung.
Im Rahmen der Sicherheitsvorkehrungen sind der Verkauf und der Konsum von alkoholischen Getränken an öffentlichen Plätzen am Wahltag von 6 Uhr morgens bis Mitternacht verboten.
Personen, die nicht mit der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung betraut sind, dürfen weder Schusswaffen noch Sprengstoffe oder jedwede Schneid-, Stich- oder Schlagwerkzeuge, die als Waffe verwendet werden können, mit sich führen.
Internationale Beobachter
Vertreter mehrerer internationaler Organisationen werden auf Einladung der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Wahlen im Mai beobachten und damit eine 2002 begonnene Tradition fortsetzen.
So waren Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE), zehn Vertreter der Parlamentarischen Versammlung des Mittelmeerraums (PAM), fünf Vertreter der Parlamentarischen Versammlung der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation (PABSEC), der Parlamentarischen Versammlung der türkischsprechenden Länder (TURKPA) und der Organisation der Turkstaaten (damals Türkischer Rat) bereits bei den vergangenen Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen als neutrale Beobachter im Einsatz.
Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2018 umfasste die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE rund 330 Beobachter aus 44 Ländern, darunter 231 Langzeit- und Kurzzeitbeobachter.
Den internationalen Beobachtern zufolge waren alle seit 2002 in Türkiye abgehaltenen Wahlen transparent, frei, pluralistisch und fair und damit im Einklang mit internationalen Standards.
Auszählung der Stimmen
Bei den letzten Wahlen wurden nach Angaben des Obersten Wahlrats 188.000 Wahlurnen in 87 Wahlbezirken landesweit und im Ausland eingesetzt.
Nach Stimmabgabe der Wähler und Schließung der Wahllokale erfolgen Auszählung und Dokumentation der Stimmzettel offen, unter der Aufsicht des Wahlvorstands und im Beisein von Vertretern aller an der Wahl teilnehmenden politischen Parteien.
Jede Wahlurne wird vom Vorsitzenden des Wahlvorstands vor den Anwesenden im Wahllokal geöffnet, und die Umschläge mit den einzelnen Stimmzetteln werden vom Vorsitzenden laut und zweimal gezählt.
Die Vertreter der politischen Parteien protokollieren auf einem Formular das Ergebnis, über welches zuvor Konsens erzielt wurde.
Die Wahlurne wird erst dann aus dem Wahllokal genommen, wenn Auszählung und Dokumentation aller Wahlurnen im ganzen Land abgeschlossen sind.
Die gültigen Stimmzettel, die unterzeichneten Zähl- und Aufschlüsselungsformulare, die ungültigen und angefochtenen Stimmzettel, die unbenutzten Wahlumschläge und die Wahlzettel werden getrennt verpackt in einem Beutel deponiert und, nachdem alles von den anwesenden Vertretern genehmigt wurde, schließlich vom Wahlurnenausschuss unterzeichnet und versiegelt.
Die versiegelten Beutel werden dem Vorsitzenden des Bezirkswahlrats so schnell wie möglich von mindestens zwei Mitgliedern des Wahlurnenausschusses in Begleitung von Sicherheitskräften übergeben.
Schließlich fasst der Bezirkswahlrat alle von den Urnenausschüssen erhaltenen Wahlergebnisse zusammen und teilt sie dem Vorsitzenden des Provinzwahlrats und den politischen Parteien mit.
Wahlen in den vom Erdbeben betroffenen Regionen
Eine der größten Herausforderungen für den Obersten Wahlrat besteht darin, sicherzustellen, dass die Wähler in den 11 Provinzen, die von den beiden Erdbeben vom 6. Februar verwüstet wurden, am demokratischen Willensbildungsprozess teilnehmen können.
In den letzten Wochen haben mehrere Delegationen des Obersten Wahlrats die vom Erdbeben betroffenen Regionen besucht, um sich ein Bild von der Lage zu machen und die für die Durchführung der Wahlen erforderlichen Informationen einzuholen.
Die Delegationen erstellten unter anderem Berichte über die Lage der betroffenen Wähler, dokumentierten die in andere Städte evakuierten Personen und informierten sich über möglicherweise erforderliche Sicherheitsmaßnahmen.
Der Prozess ist im Gange, und die Berichte werden laufend an den Obersten Wahlrat weitergeleitet.
Offiziellen Stellungnahmen zufolge werden besondere Anstrengungen unternommen, um die Stimmabgabe in Zelt- und Containerstädten zu ermöglichen. Dabei wird auch die Einrichtung von Wahllokalen in Containern erwogen.
Erdbebenopfer, die wegen der erlittenen Verletzungen nicht zur Wahlurne gehen können, eingeschränkt in ihrer Mobilität sind oder aufgrund ihres Alters nicht in der Lage sind, ihre Wohnung zu verlassen, wird die Möglichkeit eingeräumt, in einem mobilen Wahlzentrum zu wählen.
In Gebieten, in denen die Stimmabgabe derzeit nicht möglich ist, wird auch eine Verlegung in nahe gelegene Wahllokale in Betracht gezogen.
Bürger, die durch die Erdbeben ihre Ausweispapiere verloren haben, können auch ohne diesen Ausweis wählen, sofern sie über andere Dokumente verfügen, etwa einen vorläufigen Personalausweis, einen Reisepass, eine Heiratsurkunde, einen Führerschein, einen Wehrdienstausweis, einen Berufsausweis oder einen Militärausweis.
Die Erdbebenopfer können auch in den Städten wählen, in die sie umgesiedelt wurden bzw. in die sie selbst umgezogen sind.
Weiterhin wird erwartet, dass eine Verordnung erlassen wird, die es Mitarbeitern der Katastrophenschutzbehörde AFAD ermöglicht, in der Stadt zu wählen, in der sie derzeit im Einsatz sind.