Am heutigen Freitag begeht Türkiye den sechsten Jahrestag des vereitelten Putschversuchs vom 15. Juli 2016. Ein großer Teil der deutschen Medienlandschaft relativierte den Umsturzversuch bereits kurz nach dessen Beginn und sorgte damit für Unmut in der türkischen Bevölkerung. Gleichzeitig gerieten die Machenschaften der Fetullahistischen Terrororganisation (FETÖ), die als Drahtzieher des vereitelten Putschversuchs gilt, größtenteils aus dem Fokus der Berichterstattung.
FETÖ als Drahtzieher des vereitelten Putschversuchs
Bereits vor dem 15. Juli 2016 hatte Ankara die FETÖ beschuldigt, im Rahmen einer jahrzehntelangen Kampagne den türkischen Staat stürzen zu wollen. Dazu habe sie gezielt staatliche Institutionen unterwandert – allen voran die Justiz, das Militär und die Polizei.
Bei dem vereitelten Putschversuch von 2016 kamen schließlich 251 Menschen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Neben zahlreichen Zivilisten wurde unter anderem sogar das türkische Parlament Ziel von Angriffen.
Der türkischen Justiz liegen eigenen Angaben zufolge zahlreiche Beweise für die Rolle der FETÖ als Drahtzieher des Putschversuchs vor. Auslieferungsgesuche Ankaras bezüglich des FETÖ-Rädelsführers Fetullah Gülen, der in den USA lebt, blieben jedoch bislang erfolglos.
Verharmlosung des Rädelsführers
In der deutschen Berichterstattung wurde Gülen größtenteils bereits unmittelbar nach Beginn des Umsturzversuchs verharmlost und als dessen Initiator ausgeschlossen. Auch nach dem 15. Juli 2016 wurde der Rädelsführer von deutschen Medien als vermeintlicher „Prediger“ betitelt. Auch das umstrittene globale Netzwerk um ihn wird oft konsequent als angeblich „islamische Bewegung“ dargestellt.
So fasste etwa „Der Spiegel“ in mehreren Artikeln das Geschehen in einem Überblick zusammen, in denen der Sektenführer als „Prediger“ vorgestellt wurde. In einem Beitrag über ein Interview mit dem Rädelsführer 18. Juli 2016 wurde dieser als „Erdoğan-Gegner“ verharmlost, die FETÖ wurde abermals als eine vermeintlich „islamische Bewegung“ bezeichnet.
In ähnlicher Weise gingen auch andere Medien vor. In einem Beitrag ging die „Zeit“ am Morgen nach dem vereitelten Putschversuch der Frage nach, wer hinter dem Geschehen gesteckt haben könne. Die FETÖ sei, so hieß es dort, ein „informelles transnationales und religiöses Netzwerk“ und habe „in den letzten Jahren keine relevante Rolle in der Politik des Landes“ gespielt.
Die „Welt“ zweifelte bereits einen Tag nach dem 15. Juli 2016 an der Drahtzieher-Rolle der FETÖ mit Blick auf den Putschversuch. Ihre Beteiligung sei „unwahrscheinlich“, „obwohl die Regimekritiker die Sache wahrscheinlich unterstützten.“
Ohne eine konkrete Begründung zu liefern, porträtierte die „Süddeutsche Zeitung“ in einer grotesken Verdrehung von Tatsachen den FETÖ-Führer Gülen als einen vermeintlichen „Prediger“, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan angeblich „fürchtet“.
Tatsächlich befindet sich der Rädelsführer bereits seit 1999 in den USA und hat seitdem kein einziges Mal einen Fuß auf türkischen Boden gesetzt. Präsident Erdoğan hatte bereits vor dem Putschversuch von 2016 mehrmals auf diesen Umstand hingewiesen. Er warf dem Sektenführer vor, er verstecke sich in Pennsylvania. „Wieso bist du geflohen? Komm doch zurück, wenn du unschuldig bist“, forderte das Staatsoberhaupt den FETÖ-Führer auf.
Fokus nicht auf Sekte
In Konsequenz daraus wurde in den Medien oft gänzlich darauf verzichtet, den Blick auf die Machenschaften der Sekte zu lenken. Stattdessen sprach „Bild“ noch am selben Abend von einer „wütenden Rache“ und „Mobs“ unter der Zivilbevölkerung, die nach dem Putschversuch durch die Straßen zögen.
Auch am sechsten Jahrestag des vereitelten Putschversuchs finden sich Beiträge, die die eigentlichen Drahtzieher relativieren. In einem am Freitag veröffentlichten Beitrag ging etwa die in Türkiye umstrittene „Deutsche Welle“ der Frage nach, wer die Posten der ehemaligen FETÖ-Mitglieder im Staatsapparat ersetzt habe – und stützte sich dabei lediglich auf nicht belegte Behauptungen.
15 Juli 2022
TRT Deutsch
Ähnliche Nachrichten
Selbe Kategorie
Fahrettin Altun fordert globale Zusammenarbeit für ethische KI-Technologien
Die Kriege im Nahen Osten zeigen wieder einmal: Künstliche Intelligenz birgt hohe Risiken für die gesamte Menschheit. Der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun fordert nun eine weltweite Zusammenarbeit im Bereich der ethischen KI.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.