Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Einsatz für das damalige Dax-Unternehmen Wirecard bei einer China-Reise 2019 verteidigt. „Die Wirecard AG genoss bei der Reise keine Sonderbehandlung“, sagte die CDU-Politikerin am Freitag im Untersuchungsausschuss zum mutmaßlichen Betrugsskandal um das Fintech-Unternehmen im Bundestag. Das Bemühen von Wirecard um Markteintritt in China habe sich mit den Zielen der Bundesregierung gedeckt. Es sei normal, dass sich die Bundesregierung und auch die Kanzlerin bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze. Merkel betonte: „Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen.“
CSU-Finanzexperte kritisiert Guttenberg im Wirecard-Skandal scharf
Vor der Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wirecard-Untersuchungsausschuss hat der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach seinen Parteikollegen Karl-Theodor zu Guttenberg für dessen Lobbyarbeit im Kanzleramt scharf kritisiert. „Man kann nicht eine Bundeskanzlerin für Geschäfte einspannen“, sagte Michelbach dem „Handelsblatt“ vom Freitag. „Vor allem dann nicht, wenn man das Geschäftsmodell selbst nicht geprüft und dafür auch noch 900.000 Euro eingestrichen hat“, fügte Michelbach hinzu.
Der Wirecard-Skandal habe ihn „die Freundschaft mit Guttenberg gekostet“, sagte der CSU-Politiker, der auch stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen rund um den mutmaßlichen Milliardenbetrug des einstigen Dax-Konzerns ist. „Er hat mich beschimpft, dass ich ihn nicht unterstützt hätte.“ Der frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister zu Guttenberg hatte bei Merkel vor einer China-Reise für Wirecard Lobbyismus betrieben und die Kanzlerin gedrängt, sich in Peking für den Konzern einzusetzen. „Bei Wirecard haben zu viele Lobbyisten Geld gerochen, die Selbstverantwortung der Wirtschaft hat nicht funktioniert“, sagte Michelbach dem „Handelsblatt“.
Mindestens 22 Milliarden Euro verloren gegangen
Der CSU-Finanzpolitiker zog eine positive Bilanz der Arbeit des Ausschusses. Dieser habe aufgedeckt, „wie so ein unvergleichlicher Anschlag auf die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung möglich war“, sagte Michelbach. Wenn alles zusammengerechnet werde - die Verluste der Anleger, der Schaden für die Gläubiger -, dann seien bisher insgesamt mindestens 22 Milliarden Euro verloren gegangen. Und die Summe wachse mit dem Insolvenzverfahren wohl noch weiter.
„Dass so etwas möglich war, da muss man schon sagen: Auf breiter Ebene hat nichts funktioniert, Politik und Finanzaufsicht haben es den Betrügern zu einfach gemacht.“ Es habe viele Verfehlungen gegeben, die Politik habe „immerzu gewartet“, obwohl das Finanzministerium von der Finanzaufsicht Bafin informiert worden sei.
Insbesondere kritisierte Michelbach Finanzstaatssekretär Jörg Kukies. Dieser sei „ein ganz aktiver Teil des Versagens“ gewesen, aber auch Finanzminister Olaf Scholz, Justizministerin Christine Lambrecht (beide SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müssten sich „nach ihrer Verantwortung für das Desaster fragen lassen“, sagte der CSU-Politiker.
Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Der auf Antrag der Fraktionen von Linke, Grünen und FDP eingesetzte Untersuchungsausschuss arbeitet die Vorkommnisse rund um den Zahlungsdienstleister auf und untersucht insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden.
Wirtschaftsminister Altmaier, Justizministerin Lambrecht und Finanzminister Scholz hatten vor dem Ausschuss eine Mitschuld an dem Skandal zurückgewiesen. Am Freitagvormittag ist Kanzlerin Merkel als Zeugin geladen.