Vor dem USA-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz haben die großen deutschsprachigen Journalisten-Organisationen den SPD-Politiker zum entschlossenen Engagement für Wikileaks-Gründers Julian Assange aufgefordert. „Die einzige Hoffnung auf eine Freilassung in absehbarer Zeit ist, dass die USA das Verfahren einstellen“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, am Montag in Berlin. „Deshalb muss Bundeskanzler Scholz nächste Woche bei US-Präsident Biden darauf dringen, dass die Anklage fallengelassen wird.“
US-Justiz will Assange den Prozess machen
Im Koalitionsvertrag habe sich die Bundesregierung einer „wertebasierten Außenpolitik“ verschrieben. „Das schließt mit ein, verbündete Regierungen wie Großbritannien und die USA zu kritisieren. Es ist überfällig, dass sich die neue Bundesregierung klarer positioniert als die Regierung Merkel.“ US-Präsident Joe Biden empfängt Scholz am 7. Februar im Weißen Haus. Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Dem gebürtigen Australier drohen dort bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Seine Unterstützer sehen in ihm dagegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat und an dem nun ein Exempel statuiert werden soll. Der 50-Jährige sitzt seit beinahe drei Jahren im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Haft.
DJV: Verfahren „sendet ein verheerendes Signal an Journalisten“
„Mit dem Verfahren gegen Julian Assange wird ein verheerendes Signal an Journalisten und Whistleblower weltweit gesendet“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall. „Diese Menschen nehmen hohe persönliche Risiken auf sich, um wichtige Informationen zu veröffentlichen. Dafür gebühren ihnen statt Verfolgung und Haft Solidarität, Dankbarkeit und Schutz - vor allem Julian Assange. Er gehört unverzüglich freigelassen.“
Der Geschäftsführer des Netzwerks Recherche, Günter Bartsch, warnte: „Eine Auslieferung und Verurteilung von Assange wäre eine reale Gefahr für die Pressefreiheit - auch für deutsche Journalistinnen und Journalisten. Wir fordern die Bundesregierung auf, alles daran zu setzen, eine Auslieferung zu verhindern.“ Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in der Gewerkschaft ver.di sowie der Österreichische Journalist*innen Club und der Club Suisse de la Presse/Geneva Press Club erklärten ihre Solidarität.