Themenbild: Mehrere leere Krankenhausbetten stehen auf dem Flur der Notaufnahme eines Klinikums. (dpa)
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Die Corona-Pandemie hat Deutschland längst erreicht - aber nicht überall gleichermaßen: Mit Ausnahme von Berlin sind die Infektionszahlen in den ostdeutschen Bundesländern bislang verhältnismäßig niedrig. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind deutlich weniger betroffen als etwa Bayern und Nordrhein-Westfalen - sowohl in absoluten Zahlen als auch auf 100.000 Einwohner gerechnet.
Einen einzelnen Grund für diese Entwicklung könne man nicht benennen, erklärt Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag. „Es kommen schon immer mehrere Aspekte zusammen.“
Entschleunigend bei der Virusausbreitung könne etwa ein hoher Anteil alter, weniger mobiler Menschen in einer Gesellschaft wirken: „Wir gehen oft in erster Linie davon aus, dass Alter ein Risikofaktor für schwere Erkrankungen ist“, sagt Zeeb der Deutschen Presse-Agentur. „Das stimmt auch, aber die Ausbreitung ist zu Beginn wahrscheinlich tendenziell vor allem über jüngere Menschen erfolgt, über Reisende.“ Ältere Menschen hätten zwar oft einen schwereren Krankheitsverlauf, erklärt der Mediziner. „Aber wenn der Virus eben gar nicht erst eingetragen wird, dann wirkt das halt auch protektiv für die, die möglicherweise später klinisch schwerer betroffen wären.“
Hinzu kommt laut Zeeb die recht niedrige Bevölkerungsdichte in mehreren ostdeutschen Bundesländern. „Gerade Mecklenburg-Vorpommern fällt mit niedrigen Zahlen auf: Ein Bundesland mit sehr geringer Bevölkerungsdichte und viel ländlicher Struktur.“ Es gebe aber auch Gegenbeispiele: Bremen etwa habe eine hohe Bevölkerungsdichte und dennoch recht niedrige Infektionszahlen. „Das zeigt eben auch, dass das Ganze jetzt nicht so einfach schwarz und weiß zu beschreiben ist.“

Weniger Karnevalsveranstaltungen im Osten
Eine große Bedeutung bei der Virusausbreitung spielten Experten zufolge wohl auch Karnevalsveranstaltungen - die in Westdeutschland traditionell beliebter sind als im Osten. „Solche Feste und Zusammenkünfte moderieren und verändern das Krankheitsgeschehen eindeutig“, sagt auch Zeeb.
Ein weiterer Unterschied: Während in Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg das Virus wohl vielerorts aus Skigebieten wie Ischgl in Österreich eingeschleppt wurde, sind solche Berichte aus ostdeutschen Bundesländern seltener. „Das Reiseziel hat ja durchaus auch etwa mit dem sozioökonomischen Status des Reisenden zu tun“, sagt Zeeb mit Blick auf die Gehälter, die in Ostdeutschland durchschnittlich geringer sind als im Westen: „Ausführliche Winterurlaube können besonders Leute machen, die ausführlich Geld haben.“
Und schließlich: Als in Deutschland die ersten Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus beschlossen wurden, hatten die ostdeutschen Bundesländer zum Teil erst verhältnismäßig wenige Fälle registriert. Aus Zeebs Sicht ein Glücksfall: „Das ist ja das Optimale, wenn man Prävention früh genug einführt, damit eben nichts passiert.“
Hartnäckig hält sich zudem die These, dass viele Ostdeutsche in der Corona-Krise von der Impfpflicht in der DDR profitierten, weil die Tuberkulose-Impfung auch gegen das Coronavirus immunisiere. Dafür gebe es bislang aber keine Beweise, betont Zeeb.
Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge laufen weltweit mehrere klinische Studien zu möglichen Effekten einer sogenannten BCG-Impfung gegen Tuberkulose in Bezug auf Schutz vor der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Doch auch RKI-Präsident Lothar Wieler betonte kürzlich auf einer Pressekonferenz: „Diese Hypothese wird von manchen Wissenschaftlern in den Ring geworfen, sie ist nicht belegt.“ Genau wie Zeeb verwies er auf soziale und demografische Faktoren als mögliche Erklärungen für regionale Unterschiede beim Infektionsgeschehen. Auch der Weltgesundheitsorganisation WHO lagen zuletzt keine Belege für eine Wirksamkeit der Tuberkulose-Impfung in diesem Zusammenhang vor.

dpa