Fast jeder dritte Fahrgast im Fernverkehr der Deutschen Bahn war im vergangenen Jahr von Verspätungen betroffen. Das waren in etwa so viele wie im Gesamtjahr 2022, wie aus einer Antwort der Bahn auf eine Anfrage des Grünen-Verkehrspolitikers Matthias Gastel hervorgeht. Diese liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Demnach kamen rund 69,6 Prozent der Bahn-Reisenden zwischen Januar und November 2023 pünktlich ans Ziel. Alle anderen waren mit Verspätung unterwegs.
Die sogenannte Reisendenpünktlichkeit unterscheidet sich von der Pünktlichkeitsstatistik, die die Bahn monatlich online veröffentlicht. Letztere bildet lediglich ab, wie viele Züge im jeweiligen Monat unpünktlich waren, also mit mindestens sechs Minuten Verspätung am Ziel ankamen. Im November betraf das fast jeden zweiten Fernzug. Von ihrem selbstgesteckten Ziel von einer Zugpünktlichkeit von mehr als 70 Prozent im Gesamtjahr 2023 ist die Bahn weit entfernt.
Die Reisendenpünktlichkeit misst hingegen, wann die einzelnen Fahrgäste am Ziel ankamen. Sie berücksichtigt also auch Zugausfälle oder Ersatzverkehre. Als verspätet geht ein Fahrgast in diese Statistik ein, wenn er mindestens 15 Minuten später am Ziel ankommt, als der Fahrplan es vorsah. Zwischen 2017 und 2020 lag die Fahrgastpünktlichkeit der Bahn zufolge stets bei über 80 Prozent. Seither hat sie stark abgenommen. Diese Zahlen veröffentlicht die Bahn bisher lediglich einmal im Jahr, im Geschäftsbericht der Tochter DB Fernverkehr.
Der Abgeordnete Gastel fordert deshalb eine regelmäßigere Auskunft. „Diese Angabe sagt über das Ausmaß an Betroffenheit unter den Fahrgästen mehr aus als das bloße Zählen von Zügen“, teilte er mit. „Wenn 30 Prozent der Fahrgäste zu spät an ihrem Ziel ankommen, dann waren allein im November weit über drei Millionen Menschen betroffen.“ Es brauche eine klar erkennbare Strategie. Die Bahn müsse sich etwa im täglichen Betrieb darum kümmern, dass Züge mit hoher Auslastung oder solche mit knappen Anschlüssen mehr Beachtung fänden.
Die hohe Unzuverlässigkeit der Bahn liegt vor allem am seit Jahrzehnten vernachlässigten Schienennetz, das an vielen Stellen marode, veraltet und völlig überlastet ist. Zahlreiche Baustellen bremsen den Zugverkehr bundesweit aus. Die Bundesregierung hat deshalb zusätzlich viele Milliarden Euro zugesagt, um das Bestandsnetz in den kommenden Jahren grundlegend zu sanieren. Dutzende stark belastete Korridore sollen bis 2030 nun in Angriff genommen, für jeweils rund ein halbes Jahr komplett gesperrt und rundum saniert werden.
Start ist im kommenden Sommer auf der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Seit dem Jahreswechsel ist die Strecke bereits für einige Wochen voll gesperrt, um vorbereitende Maßnahmen für die Generalsanierung in der zweiten Jahreshälfte durchzuführen.
Mit Jahresbeginn hat die neue Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn, die InfraGo, ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist Teil einer Strukturreform bei der Deutschen Bahn. Hauptaufgabe der neuen Gesellschaft wird es sein, in den kommenden Jahren zentrale Verkehrskorridore im deutschen Schienennetz grundlegend zu erneuern. 40 solcher Streckenabschnitte sollen bis 2030 modernisiert werden.