13.01.2022, Rheinland-Pfalz, Koblenz: Der Angeklagte Anwar R. wird in Handschellen zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal des Oberlandesgerichts geführt. Im nach Angaben der Bundesanwaltschaft weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien ist der Angeklagte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auf der Anklagebank saß ein ehemaliger Vernehmungschef in einem syrischen Geheimdienst-Gefängnis. (dpa)
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Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) den Angeklagten am Donnerstag zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter sprachen den 58-jährigen Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes, Folter und weiterer Delikte schuldig. Der Beschuldigte war laut Anklage früher Mitarbeiter eines der Geheimdienste des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und soll ein Gefängnis geleitet haben. In der Al-Khatib-Haftanstalt in der syrischen Hauptstadt Damaskus sollen unter der Befehlsgewalt des Angeklagten zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4000 Häftlinge mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Viele starben dabei. Das Urteil entsprach weitgehend der Forderung der Bundesanwaltschaft, die in dem weltweit mit Aufmerksamkeit verfolgten Prozess die Anklage vertreten hatte. Die Verteidigung forderte Freispruch. Opfer in Deutschland erkannten den Folterer wieder Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hatte R. als militärischer Befehlshaber die Vernehmungsbeamten und Gefängniswärter zum Dienst in dem berüchtigten Gefängnis eingeteilt und deren Arbeitsabläufe bestimmt. Er habe auch über das Ausmaß der Folterungen Bescheid gewusst. Die Misshandlungen hätten dazu gedient, Geständnisse zu erzwingen und Informationen zu erlangen, betonte die Behörde dabei. In dem im April 2020 gestarteten Prozess war auch ein zweiter Mann angeklagt, der nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme als Untergebener an den Folterungen beteiligt war. Ihn verurteilte das Gericht bereits vor fast einem Jahr im Februar 2021 in einem abgetrennten Verfahren wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ins Rollen war der Fall gekommen, weil nach Deutschland geflüchtete frühere Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger wiedererkannt hatten. Diese wurden im rheinland-pfälzischen Zweibrücken sowie in Berlin festgenommen. Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, liegt am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Demnach dürfen auch Taten verhandelt werden, die keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben, wenn es in dem Land, in dem sich bestimmte, besonders schwere Straftaten wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit ereignet haben, keine Aussicht auf eine absehbare Ahndung derselben gibt.

AFP