Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht zehn Jahre nach Bekanntwerden der rechtsextremen NSU-Mordserie kaum Verbesserungen bei der Polizei. Die neue Bundesregierung müsse sich deshalb „mit Entschlossenheit“ für eine Polizei einsetzen, „die alle Menschen in Deutschland vor menschenfeindlicher Gewalt schützt“, erklärte Amnesty-Generalsekretär Markus Beeko am Mittwoch. Nötig seien vor allem „unabhängige Untersuchungsmechanismen mit ausreichenden Ermittlungskompetenzen“.
Thema im Bundestagswahlkampf zu kurz gekommen
Die rechtsextreme Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hatte über Jahre hinweg insgesamt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle verübt. Der Zusammenhang zwischen den Taten wurde erst bekannt, nachdem am 4. November 2011 die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil tot aufgefunden wurden und Bekennervideos auftauchten.
„Im Bundestagswahlkampf hat das Thema ‚Sicherheit vor rassistischer, antisemitischer und rechtsextremistischer Gewalt‘ keine wirkliche Rolle gespielt", erklärte Beeko, „so als hätte es den 'NSU' und die Anschläge von Halle und Hanau nicht gegeben.“
Amnesty kritisiert bisherige Umsetzung der Empfehlungen
Amnesty kritisierte zudem, dass Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, um in den deutschen Polizeibehörden ein erneutes Versagen bei der Aufklärung solcher Morde zu verhindern, nicht weit genug gegangen seien. So sei etwa eine „unabhängige Untersuchung zu institutionellem Rassismus in Polizeibehörden“ nicht gefordert worden.
Andere Empfehlungen seien nur unzureichend umgesetzt worden, erklärte der Amnesty-Polizeiexperte Philipp Krüger. „So wie die Polizei heute aufgestellt ist, erscheint es nicht wirklich wahrscheinlich, dass ein erneutes Versagen wie beim NSU-Komplex tatsächlich verhindert werden kann.“
Anti-Rassismus-Trainings für Polizisten seien „weiterhin eine Ausnahme“, erklärte die Organisation. „Die interne Fehlerkultur bei der Polizei zeigt zwar kleine Fortschritte, ist aber noch nicht ausreichend entwickelt, wie die Aufdeckung diverser Chat-Gruppen zeigt“, in denn sich Polizisten „rechtsextrem und rassistisch geäußert“ hätten, erklärte Krüger. Er forderte auch einen besseren Schutz von Whistleblowern in der Polizei, die solche Vorfälle meldeten.