İsmail Yaşar wurde am 9. Juni 2005 in seinem Nürnberger Dönerimbiss erschossen. Bis zu acht Schüsse wurden an jenem Tag auf ihn abgefeuert. Yaşar wurde nur 50 Jahre alt und ist das sechste Opfer der Mordserie des erst 2011 aufgeflogenen „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU). Allein in Nürnberg ermordete der NSU zwischen 2000 und 2007 drei Menschen mit Migrationshintergrund.
Die Neonazis mordeten wahllos in ganz Deutschland, allein in Bayern wurden fünf Menschen erschossen. Insgesamt ist der NSU für die Ermordung von neun türkisch- und einem griechischstämmigen Gewerbetreibenden verantwortlich. Das letzte und zehnte Opfer des NSU-Trios war die deutsche Polizistin Michèle Kiesewetter.
Zweifelhafter Name, falsche Ermittlungsansätze
Nach dem sechsten NSU-Fall begannen Medien, die Serie an Bluttaten als „Döner-Morde“ zu bezeichnen. Die 40-köpfige „Soko Halbmond“ der Nürnberger Kripo ermittelte vor allem im Umfeld und Milieu der Opfer. Im Zusammenhang mit dem Mordfall Yaşar sprach die Polizei sogar offen davon, alle bis dahin sechs Opfer könnten „in Verbindung mit türkischen Drogenhändlern aus den Niederlanden“ stehen – ein folgenschwerer Trugschluss, wie sich zeigen sollte.
Die Annahme, hinter der bundesweiten Mordserie stünden rein kriminelle Hintergründe, veranlasste die Beamten sogar dazu, sehr fragwürdige Methoden einzusetzen. Mit Abhöraktionen und Observationen griffen verdeckte Ermittler „massiv in die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen der Opfer ein“, so der NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags im Juli 2013.
Zeugenaussagen zu zwei Männern, die an allen Tatorten beobachtet worden seien, wurden hingegen ignoriert. In der Hoffnung, weitere Erkenntnisse zu gewinnen, betrieben Polizeibeamte den Imbiss weiter – vergeblich. Dabei hatte eine Zeugin zu Protokoll gegeben, zwei Männer mit Fahrrad um die Tatzeit in unmittelbarer Tatortnähe beobachtet zu haben. Im Supermarkt war zuvor einer Zeugin außerdem eine Frau aufgefallen, die sie „an die Schauspielerin Sara Gilbert erinnert“ habe. Später erkannte sie die untergetauchte Rechtsextremistin Beate Zschäpe auf den Fahndungsbildern von 2011.
NSU-Trio agierte jahrelang im Untergrund
Hauptakteure des NSU-Trios waren, wie nach dem Wohnmobilbrand in Eisenach sechs Jahre nach dem Mord an Yaşar bekannt wurde, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Auf das Konto der Neonazis gehen neben den zehn Morden und den zwei Sprengstoffanschlägen auch mehr als ein Dutzend Raubüberfälle. Nach einem Banküberfall begingen Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 in Eisenach Selbstmord. Sie waren aufgeflogen, nachdem sie Zeugen bei der kriminellen Tat beobachtet hatten.
Die Polizei fand ihre Leichen in einem ausgebrannten Wohnmobil. Beate Zschäpe sprengte anschließend die ehemalige gemeinsame Wohnung in Zwickau in die Luft und meldete sich in weiterer Folge mit ihrem Anwalt bei der Polizei. In den darauffolgenden Tagen gingen mehrere Bekennervideos bei Medien, öffentlichen Institutionen und Moscheegemeinden ein. Das Oberlandesgericht München verurteilte Zschäpe im Juli 2018 wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft.
Der NSU-Prozess war eines der größten und längsten Verfahren im Zusammenhang mit Rechtsextremismus in Deutschland. Auch nach dem Mammutverfahren bleiben viele Fragen unbeantwortet. Eine der größten Ungereimtheiten im NSU-Komplex ist die Sperrfrist von inzwischen 30 Jahren, die für Akten des hessischen Verfassungsschutzes mit Bezug zu dem Terrortrio gilt. Deren Geheimhaltung war zunächst sogar auf 120 Jahre anberaumt worden. Dieser Tatbestand gibt Anlass für Verschwörungstheorien.