Die Debatte um eine erleichterte Arbeitsaufnahme für Geflüchtete nimmt an Fahrt auf. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), sprach sich am Donnerstag dafür aus, dass „alle Asylsuchenden, bei denen die Identität geklärt ist, so schnell wie möglich arbeiten dürfen“. Auf der Union kam hingegen die Forderung, Arbeitsmöglichkeiten nur auf anerkannte Asylbewerber zu beschränken.
„Wir müssen alle Potenziale nutzen“
Die Migrationsbeauftragte Alabali-Radovan verwies darauf, dass bereits heute 770.000 unbesetzte Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet seien. „Bis 2035 werden fünf Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen“, erklärte sie. „Darum müssen wir alle Potenziale nutzen - Fachkräfte aus dem Ausland, aber auch diejenigen, die bereits hier sind.“
„Einige dieser Arbeitsverbote sind heute nicht mehr zeitgemäß“, sagte auch der arbeitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Martin Rosemann, im Deutschlandfunk. So sei zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum Asylbewerber in vorläufiger Unterbringung nicht arbeiten dürften. Der SPD-Politiker warb auch dafür, das Arbeitsverbot für Geflüchtete zu überprüfen, die bei der Einreise ihre Identität verschleiert hatten.
Grüne auch für erleichterte Arbeitsaufnahme von Geflüchteten
Für eine erleichterte Arbeitsaufnahme von Geflüchteten werben auch die Grünen. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Andreas Audretsch sagte den Sendern RTL und ntv, die Arbeitsverbote müssten „so schnell wie möglich“ fallen. Menschen Arbeit zu geben, helfe nicht nur der Integration, sondern auch der deutschen Wirtschaft. Zudem würden die Menschen dann Sozialbeiträge zahlen, „die das Gesundheitssystem finanzieren, die unsere Rente finanzieren“.
Union strikt dagegen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte Arbeitsmöglichkeiten nur für anerkannte Asylbewerber. „Für anerkannte Migranten sollte ein Angebot auf Arbeit ein Teil des Integrationsprozesses werden“, sagte er der „Rheinischen Post“ vom Donnerstag. „Wer dieses Angebot auf Arbeit verweigert, muss mit Leistungskürzungen rechnen.“
Auch FDP-Chef Christian Lindner lehnte es ab, Arbeitsverbote für alle Asylbewerber abzuschaffen. „Bei einer generellen Regelung für Asylbewerber bin ich sehr skeptisch“, sagte der Bundesfinanzminister dem Nachrichtenportal t-online. „Wenn Menschen, deren Identität und legale Aufenthaltsberechtigung nicht geklärt ist, auch mit geringsten Qualifikationen einfachen Tätigkeiten nachgehen dürften, dann wäre das ein Magnet für Migration.“ Für Menschen, die eine dauerhafte Bleibeperspektive hätten, sollten Beschäftigungsverbote aber gelockert werden.
Befürchtungen, dass eine erleichterte Arbeitsaufnahme mehr Flüchtlinge nach Deutschland bringen könnte, wies hingegen der Migrationsexperte des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Herbert Brücker, zurück. Es gebe „keine Anhaltspunkte dafür, dass eine sofortige Arbeitserlaubnis für Geflüchtete einen zusätzlichen Pull-Effekt auslösen würde“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe). „Bisher liegt die Beschäftigungsquote bei Asylbewerbern im ersten Jahr nur bei drei Prozent. Die könnten wir auf einen guten zweistelligen Bereich steigern mit einer schnellen Arbeitserlaubnis.“
Arbeitsverbote grenzten Menschen aus der Gesellschaft aus, ihre Abschaffung sei „überfällig“, erklärte die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Die Bundesregierung müsse „auch direkt die Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtern und die diskriminierende Duldung light abschaffen“. Denn diese gehe stets mit einem Arbeitsverbot einher. Bei der Duldung light geht es um Geflüchtete, deren Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann.