Bundestag / Photo: DPA (dpa)
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Der Bundestag hat ein Gesetz gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln beschlossen. Durch die Reform soll der Kostendruck auf die Pharmahersteller gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird. Das von den Ampel-Parteien eingebrachte Gesetz sieht vor, die Preisregeln für Kinderarzneimittel zu lockern; Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Durch das Gesetz wird außerdem die telefonische Krankschreibung unbefristet ermöglicht.

„Seit vielen Jahren beklagen wir Lieferengpässe bei der Arzneimittelversorgung“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundestag. Derzeit gebe es einen Mangel bei rund 450 Wirkstoffen. „Das ist eine unhaltbare Situation mittlerweile“, betonte der Minister. Zum Teil seien Krebsmedikamente, Antibiotika oder Medikamente für Kinder hierzulande nicht erhältlich, obwohl sie im Ausland noch verfügbar seien.

Lauterbach zufolge hat sich die Versorgung mit patentfreien Medikamenten durch eine „übertriebene Ökonomisierung“ in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Die Bundesregierung habe mit der Reform nun die Weichen gestellt, um Engpässe künftig zu vermeiden.

Laut dem Gesetz sollen Vorräte für wichtige Medikamente für drei Monate angelegt werden, bei Antibiotika soll sogar eine Reserve für sechs Monate aufgebaut werden. Vorgesehen ist zudem die Einrichtung eines Frühwarnsystems zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung außerdem dafür sorgen, die Produktion von Antibiotika in Europa zu stärken.

Um den Austausch von Medikamenten in Apotheken zu erleichtern, wird es Apothekerinnen und Apothekern künftig gestattet sein, bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels ein wirkstoffgleiches Medikament abzugeben.

Apothekerverband bemängelt fehlendes Verständnis für finanzielle Belange vor-Ort-Apotheken

Skeptisch zu den Neuregelungen äußerte sich allerdings die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Zwar begrüßte der Verband die zusätzlichen Freiheiten für Apotheken. „Extrem bitter ist, dass die Bundesregierung nicht verstanden hat, dass die Apotheken vor Ort finanziell unterstützt werden müssen“, kritisierte aber ABDA-Präsidentin Regina Overwiening.

Scharfe Kritik an der vorgeschriebenen Anlage von Vorräten kam vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller. Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz verwies auf hohe Kosten und warnte, dass nach Ablauf der Haltbarkeit „Medikamente eventuell am Ende weggeworfen werden müssen“. Zudem könnten so Hersteller vom Markt verdrängt werden, sagte Cranz der Mediengruppe Bayern.

Der CDU-Abgeordnete Georg Kippels bezeichnete die Arzneimittelreform als „eine Enttäuschung“. Das Gesetz gehe die „wirklichen Ursachen“ der Versorgungsprobleme nicht an. Eine Bevorratung von Arzneimitteln setze voraus, dass sie vorher „in ausreichendem Maß produziert werden konnten“. Die dafür benötigten Produktionskapazitäten seien aber „entweder nicht da oder aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten lohnt es sich nicht, die Generika zu produzieren und in den Markt zu geben.“

Durch die Novelle soll auch die in der Corona-Pandemie erprobte Krankschreibung per Telefon künftig dauerhaft möglich sein. Dies gilt aber nur für Patientinnen und Patienten, die der jeweiligen Hausarztpraxis bereits bekannt sind und die keine schweren Symptome haben.

Lob dafür kam vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Eine Krankschreibung per Telefon oder Video muss im Inland und auch bei einem Auslandsaufenthalt möglich sein. Das schützt Patient:innen und entlastet Arztpraxen“, erklärte vzbv-Geschäftsbereichsleiterin Michaela Schröder. Sie verwies auf gute Erfahrung mit telefonischen Krankschreibungen während der Corona-Pandemie, aber auch in anderen europäischen Ländern.

TRT Deutsch und Agenturen