UID-Vize: Keine politischen Vertreter für praktizierende Muslime (Symbolbild: Bundestag) (dpa)
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Im Bundestag haben nur acht Prozent der Abgeordneten eine Migrationsgeschichte. In den Landesparlamenten liegt der Anteil bei durchschnittlich vier Prozent. Dabei liegt der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bevölkerung bei 26 Prozent – ein Missverhältnis. Menschen mit Migrationsgeschichte sind in Deutschland grundsätzlich in der Politik nicht ausreichend vertreten. Das prangert Bülent Güven, unter anderem Unternehmensberater und freier Publizist, in seinem „Zeit“- Gastbeitrag am Donnerstag an.

Während in Deutschland knapp sechs Prozent Muslime lebten, hätten von den 709 Abgeordneten im Bundestag nur 19 muslimische Wurzeln – also lediglich zwei Prozent. 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime seien gläubig. Der Großteil von ihnen praktiziere auch den Glauben. Unter den Abgeordneten gebe es hingegen kaum jemanden, der sich als bekennender, geschweige denn praktizierender Muslim geoutet habe.

Es fehle an politischen Vertretern, die für ihre Belange eintreten, entsprechende Impulse setzen oder Gesetzesinitiativen einbringen würden. Die stille Mehrheit der Muslime fühle sich daher von den aktuellen Abgeordneten wenig bis gar nicht repräsentiert. Unter den Deutschen mit Migrationsgeschichte seien nicht nur Muslime unterrepräsentiert. Auch die „Mitte-Muslime“ seien betroffen: türkischstämmig, religiös und ihrem Herkunftsland emotional bis loyal verbunden. Sie hätten kaum Netzwerke, fänden in Medien und Politik wenig Resonanz und würden fast nur bei Migrationsthemen angesprochen.

Bei der Auswahl der Kandidaten aus muslimischen Ländern werde darauf geachtet, wer in den Parlamenten als Sprachrohr dienen könnte. Ziel sei es, den Mehrheitsmuslimen zu signalisieren: „Wenn ihr so werdet wie unsere Kandidatinnen und Kandidaten, dann erkennen wir euch an, dann kommt ihr voran.“

Rechtsradikale und rechtspopulistische Parteien stellten die ganz gewöhnlichen Muslime in Deutschland als Gefahr für die innere Sicherheit und als Protagonisten einer angeblichen Islamisierung des Abendlandes dar, so Güven. Mit der Ausgrenzung der „Mitte-Muslime“ aus politischer Repräsentation und Partizipation bestätigten etablierte Parteien diese Ansicht – denn genau diese Muslime blieben unsichtbar.

Deutschland sei ein Einwanderungsland mit einem beachtlichen Bevölkerungsanteil an Muslimen. Statt das Rad der Geschichte zurückzudrehen, brauche es deshalb eine Flucht nach vorn. Deutschland müsse seinen Anspruch, eine weltoffene, plurale und demokratische Gesellschaft zu sein, einlösen. Das wiederum könne nur gelingen, wenn das Land es schaffe, „Mitte-Muslimen“ ein Zugehörigkeitsgefühl zu geben. Die nationale Wir-Vorstellung müsse ausgeweitet werden, damit deutlich mehr Muslime als bisher darin ihren Platz fänden. Wenn die Volksparteien weiter bei den „Mitte-Muslimen“ fremdelten, haben sie laut Güven ihren Namen nicht verdient.

TRT Deutsch