Bei den Staatsanwaltschaften in Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Richterbundes immer mehr unerledigte Fälle. Mitte des Jahres (30. Juni) seien fast 850.000 Verfahren offen gewesen. Dies sei eine Steigerung um 28 Prozent im Vergleich zur Jahresmitte 2021. An der Spitze aller Länder stehe Hamburg. Dort sei die Zahl offener Ermittlungsverfahren innerhalb von zwei Jahren um 57 Prozent gestiegen und habe zum Stichtag 30. Juni bei 35.629 (30.6.2021: 22.691) gelegen. Die Zahlen gehen auf eine Umfrage bei den Justizverwaltungen der Länder zurück, die die vom Richterbund herausgegebene „Deutsche Richterzeitung“ gemacht hat.
Der Umfrage zufolge bleiben auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen immer mehr Strafakten unerledigt. 231.291 Fälle haben die Staatsanwaltschaften an Rhein und Ruhr zur Jahresmitte 2023 verzeichnet - eine Steigerung um 36 Prozent.
Bayern und Schleswig-Holstein unter dem Bundesdurchschnitt
Unter dem Bundesdurchschnitt landen Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, wo es innerhalb von zwei Jahren jeweils knapp ein Fünftel mehr unerledigte Fälle bei den Staatsanwaltschaften gab.
Berlin liegt mit einem Zuwachs von 10 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, wie es hieß. Einen Rückgang verzeichnete als einziges Bundesland Sachsen-Anhalt - was nach den Angaben auf den Abschluss eines Wirtschaftsstrafkomplexes mit mehreren Tausend Betrugsfällen im ersten Halbjahr 2023 zurückgeht.
Neuer Rekord bei Staatsanwaltschaften
Bundesweit habe es 2022 mehr als 5,2 Millionen neue Fälle bei den Staatsanwaltschaften gegeben, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn. Das sei ein neuer Rekord. Diese positive Entwicklung setzte sich bisher im laufenden Jahr fort. Als Gründe sieht Rebehn unter anderem vermehrte Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz, mehr Fälle im Bereich der Kinderpornografie auch infolge jüngster Strafverschärfungen oder die erweiterte Strafbarkeit von Geldwäsche.
„Eine personell ausgelaugte Strafjustiz ist kaum noch in der Lage, mit den wachsenden Aufgaben Schritt zu halten“, so Rebehn. Die Strafjustiz müsse angesichts wachsender Aufgaben besser ausgestattet werden, betonte er. Bundesweit fehlten jedoch allein in den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten 1500 Juristinnen und Juristen.