von Feride Tavus
Am Freitag hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Fund von 320 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Schwarzen Meer verkündet. Damit könne die Türkei den Bedarf für die nächsten 20 Jahre abdecken. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Türkischen Wirtschaftsvereinigung (DTW), Suat Bakır, hat sich im Exklusivinterview über die Bedeutung und Auswirkungen des Rekord-Erdgasfunds der Türkei geäußert.
Präsident Erdoğan hat in seiner Ankündigung von einer neuen Ära für die Türkei gesprochen. Inwieweit schlägt das Land durch den Erdgasfund ein neues Kapitel auf?
Suat Bakır: Es ist für die Türkei als Importland von Erdgas von Bedeutung. Insbesondere wenn jetzt noch weitere Funde im Schwarzen Meer oder im Mittelmeer erfolgen, wird das Land von einem Importland zum Exportland von Erdgas werden - und das ist ein neues Kapitel.
Was bedeutet dieser Fund für die türkische Wirtschaft und den Wirtschaftsstandort Türkei?
Suat Bakır: Das erspart eine Menge an Devisen. Die Ausgaben für Erdöl und Erdgas machen ungefähr 40 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus und das wird zum Teil eingespart werden. Das bedeutet, dass man diese Liquidität bzw. diese Ressourcen woanders verwenden kann.
Welchen Einfluss hat der Erdgasfund auf den Weltmarkt?
Suat Bakır: Meines Erachtens nach hat es überhaupt keine Bedeutung, weil einfach die Größenordnung - ob es nun die 320 Milliarden Kubikmeter sind oder was den Verbrauch der Türkei angeht - für den Weltmarkt nicht so bedeutend ist.
Werden dadurch vermehrt ausländische Investoren angelockt?
Suat Bakır: Nein, ich glaube nicht. Das ist noch nicht die Menge, die Investoren anlockt. Aber die Neugier der Investoren ist sicherlich gestiegen. Sie sind immer nahe dran an der Türkei. So einen großen potenziellen Markt und Produktionsstandort darf man nicht aus den Augen verlieren. Das hat die Türkei sicherlich interessanter gemacht und wird es in Zukunft interessanter machen. Aber direkt Investoren anlocken wegen dieser Verkündung heute? Das wird es meiner Meinung nach nicht geben.
Energie sei für die Etablierung der nationalen Souveränität von großer Bedeutung, sagte Erdoğan in seiner Rede. Welche politischen Entwicklungen sind zu erwarten?
Suat Bakır: In jedem Fall wird es eine andere Beziehung mit den Erdgaslieferanten geben. Also hauptsächlich mit Russland - aber auch mit anderen Ländern wird es eine Verbesserung geben. Auch wenn unter Umständen noch mehr Gas gefunden wird, wird sich das die Türkei als Lieferant politisch zunutze machen.
Wird sich das Verhältnis zwischen EU und Türkei dadurch verändern?
Suat Bakır: Ja. Eigentlich kann man sagen: Um diese Ersparnis der Erdgasimporte kann die Türkei die Ressourcen anders verwenden - also auch für den Handel mit der EU. Insofern schlägt es durch, aber das Verhältnis wird nicht grundsätzlich verändert. Dafür ist die Menge zu gering.
Viel Dank für das Gespräch!