Bundeskanzlerin Angela Merkel (Reuters)
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von Cüneyt Karadağ

Merkels von Stabilität gekennzeichneten Jahre an der Macht lasten als Erbe ihren potentiellen Nachfolgern eine schwere Verantwortung auf.

Merkel, die nach dem Zweiten Weltkrieg neunte Bundeskanzlerin Deutschlands wurde, nimmt ihren Platz unter den herausragenden Persönlichkeiten Deutschlands ein, etwa Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder.

1954 als Tochter eines Pfarrers und einer Lehrerin in Hamburg geboren, verbrachte Merkel ihre Kindheit und Jugend in der DDR. Ihre politische Karriere begann sie als stellvertretende Sprecherin der neuen Regierung in der DDR nach dem Fall der Berliner Mauer. Dabei habe sie es aufgrund ihrer Erziehung in der DDR gut verstanden, ihre Emotionen zu unterdrücken und ihre Reaktionen nicht offen zu zeigen, heißt es.

Merkel, die am 2. Dezember 1990 zur Bundestagsabgeordneten gewählt wurde, war von 1991 bis 1994 Ministerin für Frauen und Jugend in der Regierung Kohl.

Sie war erst 46 Jahre alt, als die Delegierten beim Bundesparteitag der CDU 2000 sie ohne Gegenstimme zur ersten weiblichen Parteivorsitzenden der Partei wählten.

Nach den Bundestagswahlen vom 22. November 2005 wurde sie erste deutsche Bundeskanzlerin und bewältigte während ihrer 16-jährigen Amtszeit zahlreiche Krisen.

Sie spielte eine aktive Rolle bei der Bewältigung von Krisen

Angela Merkel stand während ihrer Amtszeit vielen wichtigen Herausforderungen gegenüber, etwa der Finanz-, Euro-, Flüchtlings- und Brexit-Krise sowie der Covid-19-Pandemie.

Dabei wählte sie den „Konsens“ als Hauptziel bei der Lösung aller Krisen und Probleme, mit denen sie konfrontiert wurde. In all diesen Krisen rückte Merkels „bedingungsloser Einsatz für einen Konsens“ in den Vordergrund.

Merkels wichtigste erste Bewährungsprobe in Europa war die Finanzkrise 2008. Aufgrund dieser weltweiten Krise brachen auch in Deutschland die Aktienmärkte ein, und die Finanzmärkte gerieten durcheinander.

Doch Merkel gelang es, sowohl die Wirtschaft ihres Landes als auch die Gemeinschaftswährung Euro aus der Krise zu holen.

Merkel spielte eine wichtige Rolle bei der Etablierung des Rettungsschirms für krisengeschüttelte Mitglieder der Eurozone im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dabei erregte sie mit folgenden Worten Aufmerksamkeit: „Wenn der Euro scheitert, wird auch Europa scheitern.“

Ihr Umgang mit der Euro-Krise zog aber auch den Unmut einiger anderer EU-Staaten, insbesondere Griechenlands, auf sich.

Merkel spielte eine wichtige Rolle bei der Modernisierung ihrer Partei, schaffte die Wehrpflicht ab und zeichnete als Bundeskanzlerin für den Ausstieg aus der Kernenergie verantwortlich.

Eine der wichtigsten Entscheidungen in Merkels politischer Karriere war die Öffnung der deutschen Grenzen für Flüchtlinge im Sommer 2015.

Während viele Länder der Europäischen Union ihre Grenzen und Tore für Flüchtlinge vollständig schlossen, öffnete Merkel die Türen Deutschlands für etwa eine Million Flüchtlinge, hauptsächlich Syrer.

Mit dem Erstarken rechtsextremer Parteien im Land, denen die Flüchtlingsfrage politisch Aufwind verschaffte, erklärte Merkel, dass so etwas wie 2015 nicht mehr geschehen dürfe.

Merkels Ausruf „Wir schaffen das!“ hinsichtlich der Flüchtlingskrise wurde zum geflügelten Wort und in den folgenden Jahren häufig für andere Themen verwendet.

Die Beziehungen zu den USA traten in eine schwierige Phase ein

Merkel war enttäuscht, dass Donald Trump nach seiner Wahl zum US-Präsidenten eine Linie verfolgte, die den Multilateralismus und sogar die NATO in der Außenpolitik in Frage stellte.

Auch deshalb und weil sie sich mit Donald Trump persönlich schwertat, agierte sie im Verhältnis zu den USA eher zurückhaltend.

„Die Zeiten, in denen wir uns total auf andere verlassen konnten, liegen wohl hinter uns“, sagte Merkel mit Blick auf US-Präsident Trump.

Für den Dialog mit der Türkei

Merkel, die den EU-Beitritt der Türkei nicht unterstützte und für eine privilegierte Partnerschaft plädierte, war trotz aller Spannungen zwischen den beiden Ländern die größte Unterstützerin des Dialogs mit Ankara.

Denn sie wusste um die Bedeutung der Türkei für Europa und hörte nie auf, mit der Türkei zu kommunizieren.

Bundeskanzlerin Merkel nahm für Deutschland bei den Spannungen im östlichen Mittelmeer aufgrund rechtlich umstrittener Schritte Griechenlands eine vermittelnde Rolle ein.

Merkel, die 2012 türkische Journalisten im Bundeskanzleramt empfing, sagte damals: „Zum ersten Mal treffe ich hier Journalisten aus Ihrem Land“ und unterstrich damit die der Türkei von ihr beigemessene Bedeutung.

Die Aufdeckung des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Deutschland 2011, der 10 Menschen ermordet hatte, darunter 8 Türken, war eine weitere Bewährungsprobe für den deutschen Staat und für Frau Merkel. Ihr Versprechen, die Morde schonungslos aufzuklären, konnte sie nicht einlösen.

Einige Mitglieder der eingesetzten Untersuchungskommission des Bundestags, die einen Bericht erstellt hatte, sowie Angehörige der Opfer gaben an, von Merkel bei diesem Thema nicht ausreichend unterstützt worden zu sein.

Zitteranfälle

Die Zitteranfälle von Bundeskanzlerin Merkel 2019 beschäftigten die Öffentlichkeit lange Zeit.

Die Opposition äußerte Bedenken zu ihrem Gesundheitszustand und wollte eine Debatte zu ihrer Amtsfähigkeit eröffnen. Merkel selbst beendete die Diskussionen, indem sie erklärte, die Zitteranfälle hätten sie nicht daran gehindert, ihre Pflicht zu erfüllen. Allerdings weiß die Öffentlichkeit immer noch nicht, was damals genau mit Frau Merkel los war.

In ihrer Amtszeit unternahm die deutsche Bundeskanzlerin bisher 535 Besuche in 92 Länder. Allein 112 davon führten sie nach Brüssel zu EU-Treffen.

Merkel, die elfmal in die Türkei reiste, setzte sich intensiv für das EU-Migrationsabkommen ein.

Merkel begründete einen eigenen Stil

Angela Merkel änderte ihren Kleidungsstil während ihrer Amtszeit nicht und trug immer farbige Jacketts. Mit den Dreiknopf-Rundkragenjacken in verschiedenen Farben begründete sie einen eigenen Modestil.

Ein weiteres Zeichen, das Angela Merkel in der Weltpolitik hinterlassen „Apfels der Macht“. Dabei führte Merkel bei Fotoshootings die Finger beider Hände in einer bestimmten Pose zusammen. Während das fragliche Zeichen zunächst als „Merkels Apfel“ in die politische Literatur einging, wurde es später als „Apfel der Macht“ definiert.

Sie spricht fließend Russisch und ist auch Opern-Fan.

Merkel, die vom Magazin „Forbes“ neun Jahre in Folge zur mächtigsten Frau der Welt gewählt wurde, führt noch immer ein bescheidenes Leben.

Sie lebt in einer Wohnung in Berlin, erledigt ihre Einkäufe selbst und bereitet ihr Essen zu Hause selbst zu.

Mit ihrem Mann Joachim Sauer unternimmt sie gerne lange Spaziergänge in Südtirol und schaut sich die Spiele der deutschen Nationalmannschaft an.

Merkel, die großen Wert auf ihre Privatsphäre legt, hält Familie, Freunde und Mitarbeiter von der Öffentlichkeit fern.

In Deutschland verwendet die Öffentlichkeit manchmal den Spitznamen Mutti für sie.

Deutschland wählt am 26. September

Bei den Wahlen am Sonntag kandidieren der CDU-Vorsitzende und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, SPD-Finanzminister Olaf Scholz und die Parteivorsitzende der Grünen Annalena Baerbock für die Nachfolge von Frau Merkel.

Die Zahl der Wahlberechtigten in Deutschland beträgt 60,4 Millionen.

Etwa die Hälfte der Wähler lebt in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen (12,8 Millionen), Bayern (9,4 Millionen) und Baden-Württemberg (7,7 Millionen).

Es wird geschätzt, dass die Zahl der deutschen Wähler mit türkischer Herkunft bei ca. 900.000 liegt.

Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen, die nicht wählen können, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, beträgt 11,4 Millionen.