Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, das Thema Migration zur Chefsache zu machen. „Die Bundesinnenministerin ist damit erkennbar überfordert, die Außenministerin praktisch untätig“, sagte die CSU-Innenexpertin der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Ministerinnen Nancy Faeser (Innen/SPD) und Annalena Baerbock (Außen/Grüne). Die Union strecke dem Bundeskanzler „die Hand aus für die dringend benötigte Asylwende“. Scholz müsse das Thema jetzt zur Chefsache machen.
Union bietet Scholz Pakt zu Migration an
Im Bundestag geht es am Freitag um einen Antrag der Union über einen „Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik“. Darin heißt es den Angaben zufolge auch, wer bereits in anderen Mitgliedstaaten einen Asylantrag gestellt habe oder dessen Asylantrag abgelehnt worden sei, solle „bei eigenmächtiger Weiterreise innerhalb der EU an den Binnengrenzen zurückgewiesen werden können“. Zu dem vorgeschlagenen Maßnahmenbündel gehören auch Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz und «wirksame Rückführungsabkommen» mit Herkunftsländern. CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Dienstag gesagt: „Die ausgestreckte Hand von mir und von uns ist da.“
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, es sei eine gemeinsame Entscheidung in der demokratischen Mitte zum Thema Migration nötig, um Populisten von links und rechts und um Radikalen das Wasser bei dem Thema Migration abzugraben. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis“, sagte Spahn. „Und da bin ich mir nicht sicher, ob es das innerhalb der Bundesregierung gibt“, sagte er. „Wir sind an der Grenze dessen, was geht. Und diese Zahlen müssen deutlich, sehr deutlich in sehr kurzer Zeit runter“, sagte Spahn mit Blick auf die Migrationszahlen. Er sagte auch: „Wir schaffen das nicht mehr.“ - wohl eine Anlehnung an den Satz der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel „Wir schaffen das“.
SPD-Innenministerin will mehr Migrationsabkommen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte bei „Maybrit Illner“ davor zu glauben, dass es einfache Lösungen gebe. Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, räumte sie ein. „Wir wollen über Migrationsabkommen das stärker steuern“, sagte sie. Diese sollten Menschen ermöglichen, auf legalem Weg nach Deutschland zu kommen - und die vertraglich gebundenen Länder sollten sich dann verpflichten, Menschen, also abgelehnte Asylbewerber, zurückzunehmen.
Warnung vor den Folgen von mehr irregulärer Einreise
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) rechnet mit gravierenden Problemen in Deutschland, wenn die irregulären Einreisen von Migranten weiter wie bisher zunehmen. „Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres hatten wir über 70.000 illegale Einreisen nach Deutschland. Mit Stand vom Ende letzten Jahres waren zudem 300.000 Personen in Deutschland ausreisepflichtig“, sagte Haseloff der „Mitteldeutschen Zeitung“. Menschen, die wirklich asylberechtigt seien und Hilfe benötigten, könnte dadurch nicht mehr wirksam geholfen werden. Zudem kämen Kommunen und Länder in eine Situation, „die sie nicht mehr bewältigen können“. Unterbringung, soziale Betreuung, Schulunterricht seien dann kaum noch zu gewährleisten.
Derweil forderte der Deutsche Städtetag zur Bewältigung der Migration zügig mehr Hilfen des Bundes. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der „Rheinischen Post“: „Bei der Finanzierung brauchen wir endlich ein dauerhaftes System, das sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst und uns Planungssicherheit gibt“ Dedy ergänzte, das müsse die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler im November endlich liefern. Es werde „vielerorts immer schwieriger, Geflüchtete angemessen unterzubringen und zu versorgen“.
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland insgesamt 220.116 Asylanträge gestellt - das sind rund 77 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Allein im August erhielt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 27.738 Erstanträge. Dies entspricht einem Anstieg von 17,2 Prozent gegenüber dem Vormonat. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg 72,2 Prozent.