Erstmals ist in Deutschland am Montag eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt worden. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg in Bayern ist mit dem Erreger aus China infiziert.
Am Dienstagvormittag wollten die Behörden im Freistaat über Einzelheiten des Falles informieren, wie das Gesundheitsministerium in München am Morgen mitteilte. Das Virus kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Ursprungsland China laut offiziellen Angaben bereits mehr als 100 Menschen gestorben sind - die meisten davon waren ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen.
Besonders an dem Fall in Bayern ist, dass damit wohl erstmals weltweit eine Ansteckung außerhalb Chinas nachgewiesen wurde. Bisher handelte es sich bei fast allen der rund 50 erfassten Infektionen in Frankreich, den USA, Thailand und anderen asiatischen Ländern um importierte Fälle. Die Betroffenen hatten sich bislang bei einer Reise in China infiziert. Lediglich ganz vereinzelte Fälle von Ansteckungen zwischen engen Familienangehörigen wurden bekannt, aber keine Übertragungen etwa auf Klinikpersonal, Arbeitskollegen oder Zufallskontakte.
Der Betroffene aus dem bayerischen Starnberg habe sich bei einer Kollegin angesteckt, berichtet das Nachrichtenportal ntv. Die dpa meldet, dass der Infizierte einen chinesischen Gast empfing. Der Journalist des ZDF, Alexander Poel, schrieb auf Twitter, dass offenbar bei einem chinesischen Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto das Coronavirus festgestellt wurde.
Der Patient in Bayern befindet sich nach Angaben der „Task Force Infektiologie“ des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) klinisch in einem guten Zustand, wie es in einer Mitteilung vom späten Montagabend hieß. „Er wird medizinisch überwacht und ist isoliert.“
Geringe Ansteckungsgefahr in Bayern
Um zehn Uhr wollte Bayerns Gesundheitsministerium über den Fall informieren. An der Pressekonferenz nehmen einer Mitteilung zufolge auch der Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf, sowie der Leiter „Task Force Infektiologie“ des Landesamtes, Martin Hoch, teil. Das Ministerium hatte am späten Montagabend mitgeteilt, dass ein Mann aus dem Landkreis Starnberg sich mit dem Erreger infiziert habe. Ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums sagte:
„Das Risiko für die Bevölkerung in Bayern, sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, wird von der Task Force Infektiologie des LGL und vom Robert Koch-Institut (RKI) derzeit als gering erachtet.“
Menschen, die engen Kontakt mit dem Patienten hatten, würden ausführlich aufgeklärt und über mögliche Symptome, Hygienemaßnahmen und Übertragungswege informiert.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte am Morgen, der Fall zeige, „dass wir gut vorbereitet sind“. Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland bleibe auch nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts weiterhin gering, sagte Spahn laut Mitteilung seines Ministeriums.
In Europa waren zuvor drei Infektionen mit dem neuartigen Virus nachgewiesen worden. Alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die zuvor in China gewesen waren.
Erkrankungen steigen von 1700 auf 4500 Fälle
Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist auf mehr als 4500 gestiegen, nachdem das chinesische Staatsfernsehen am Dienstag einen Sprung um mehr als 1700 Fälle im Vergleich zum Vortag meldete. Allein in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei habe es auch 24 weitere Todesopfer gegeben, sodass landesweit mindestens 106 Menschen an der Lungenkrankheit gestorben seien.
Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung gibt es nicht. Die Symptome - darunter trockener Husten, Fieber und Atemnot - können aber mit Medikamenten abgemildert werden.
Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, möglicherweise sogar ohne Symptome. Von den in China registrierten Todesfällen gehen die meisten nach bisherigen Erkenntnissen auf ältere und ohnehin schon stark geschwächte Patienten zurück.
Der neue Erreger ist dem Virus hinter der Sars-Epidemie 2002/2003 sehr ähnlich. Damals hatte es nach Daten der Weltgesundheitsorganisation zwischen November 2002 und Juli 2003 neun Nachweise in Deutschland gegeben. Todesfälle gab es hier nicht.
China hat im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung drastische Maßnahmen ergriffen: In der Region Hubei wurden mehr als 45 Millionen Menschen weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Fern- und Nahverkehr wurden gestoppt.
Wegen der Lungenkrankheit wollen immer mehr Länder ihre Staatsangehörigen aus den besonders betroffenen Regionen zurückholen, so etwa Großbritannien und Belgien, Japan, Frankreich und die USA. Auch die Bundesregierung erwägt, ausreisewillige Deutsche aus China auszufliegen. Eine mögliche Evakuierung werde in Betracht gezogen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag, bevor der bestätigte Fall aus Bayern bekannt wurde.
Bislang hatte es in Deutschland lediglich Verdachtsfälle gegeben. Einige Bundesländer haben ergänzende Sicherheitsvorkehrungen getroffen, beispielsweise an Flughäfen. Pandemie- und Umgangspläne sorgten für Klarheit - was im Fall der Fälle an den Flughäfen und an den Kliniken zu tun sei, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).