Auf der Baustelle des milliardenschweren Bahnprojekts Stuttgart 21 ist der Rohbau des Tiefbahnhofs mit seinen markanten Lichtaugen weitgehend fertiggestellt. / Photo: DPA (dpa)
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Milliardenschwere Mehrkosten, jahrelange Verzögerungen und neuer Streit über die Finanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21: In einem Brandbrief an den Vorsitzenden des Konzernaufsichtsrats sowie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wirft der Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, der Deutschen Bahn vor, die Finanzierung der Digitalisierung des neuen Bahnknotens zu behindern. In dem Schreiben warnt der Grünen-Politiker vor einem „Risiko des vollständigen Scheiterns“ des Projekts. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.

Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Bund, Bahn und Land ist eine Debatte über die dringend notwendige Digitalisierung der Bahn in Stuttgart. Mit dem sogenannten Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) soll unter anderem die Kapazität des Tunnelbahnhofs erhöht und in einem weiteren Schritt die S-Bahn im Raum Stuttgart möglicherweise zuverlässiger und pünktlicher gemacht werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist unsicher. Der Bahnvorstand hatte das Digitalprojekt per Gremienvorbehalt zunächst gestoppt. Hermann fordert nun, den Vorbehalt in der nächsten Aufsichtsratssitzung am 28. Juni aufzuheben.

Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe, etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.

Verzögerungen bei Stuttgart 21

Derzeit ist noch unklar, wann der neue Bahnhof in Betrieb gehen wird. Die Bahn hatte im März mitgeteilt, dass der bestehende Stuttgarter Hauptbahnhof zumindest auch im Jahr 2026 in Betrieb bleibe. Eigentlich sollte dieser im Dezember 2025 durch den neuen Tiefbahnhof ersetzt werden. Ob, und wenn ja in welchem Umfang ab Dezember 2025 bereits Züge durch den neuen Tiefbahnhof fahren können, muss die Bahn bis spätestens 18 Monate vor dem Beginn des neuen Fahrplans entscheiden. Die Deutsche Bahn teilte vergangene Woche mit, sie wolle die Projektpartner im Juni über ihre Pläne zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 unterrichten.

Die Bahn war Anfang Mai mit mehreren Klagen vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gescheitert, die die Projektpartner zwingen sollten, sich an den milliardenschweren Mehrkosten von Stuttgart 21 zu beteiligen. Diese belaufen sich aktuell auf mindestens 6,5 Milliarden Euro und müssen durch das Urteil von der bundeseigenen Bahn bezahlt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Bahn hatte nach dem Richterspruch angekündigt, prüfen zu wollen, ob sie gegen die Entscheidung vorgeht.

Der Konzern beziffert die Gesamtkosten für das Projekt derzeit auf rund 11 Milliarden Euro und hat zusätzlich einen Puffer von 500 Millionen Euro einkalkuliert. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist jedoch nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Kostensteigerungen gegeben. Als Grund dafür hatte die Bahn zuletzt gestiegene Baupreise genannt.

dpa