Berlin, 27. April 2020: Ein Automat, an dem man einfache Mundschutzmasken kaufen kann, steht am Bahnsteig der U-Bahnstation Turmstraße.  (dpa)
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Mit den jüngst beschlossenen Corona-Lockerungen soll schrittweise wieder Normalität in Deutschland einkehren - doch ist die medizinische Schutzausrüstung dafür ausreichend?

Im Land Berlin scheint der Bedarf an OP-Masken auf den ersten Eindruck zunächst gedeckt – fünf Millionen Mund-Nasen-Schutzmasken sind laut einem rbb-Bericht von Samstag in der Hauptstadt eingetroffen.

Viele Infektionen hätten jedoch laut rbb-Bericht vermieden werden können, wenn der Mangel an medizinischem Schutzmaterial früher behoben wäre. Der Maskenmangel habe Ausbrüche in Krankenhäusern und Pflegeheimen begünstigt und somit sowohl Patienten als auch Gesundheitspersonal gefährdet.

Laut internem Lagebericht des Berliner Krisenstabs haben sich mehr als 500 Berliner Ärzte, Pflegekräfte und andere Beschäftigte in Gesundheitsberufen mit Covid-19 angesteckt. Allein in den Berliner Pflegeheimen seien bislang 38 Patienten gestorben, 95 Mitarbeiter hätten sich infiziert.

Viele Ausbrüche hätten sich laut Robert-Koch-Institut wohl vermeiden lassen, wenn Regierung, Behörden und Arbeitgeber in der Lage gewesen wären, ausreichend Schutzmaterial zu beschaffen und vorrätig zu halten. „Ein Zusammenhang zwischen fehlenden Masken und der Verbreitung gerade dieser Atemwegsinfektion ist natürlich sehr wahrscheinlich“, bestätigt Peter Walger, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) im Interview mit dem rbb.

Nicht nur die Pflegeheime seien vom Maskenmangel stark betroffen, auch in der ambulanten Pflege und in den Kliniken würden die Masken noch immer strikt rationiert. Laut rbb-Recherchen reichen die fünf Millionen jüngst eingetroffenen OP-Masken gerade einmal zwölf Tage lang, um den Bedarf der hiesigen Gesundheitseinrichtungen zu decken. FFP2-Masken, die als sicherere Variante vor Ansteckung besser schützen, sind in den Kliniken demnach immer noch Mangelware.

OP-Schwestern wegen Maskenmangel infiziert

Der Mangel an FFP2-Masken habe in mindestens einem Fall dazu geführt, dass sich mehrere OP-Schwestern mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt hätten. Viele von ihnen haben laut RBB ihre Arbeit einige Wochen lang statt mit FFP2-Masken oft mit einfachen OP-Masken verrichten müssen.

„Intensivschwestern assistieren bei der Intubation oder bei der Bronchoskopie in ganz enger Nähe zum Gesicht eines Patienten. Da ist eine FFP2-Maske absolut notwendig“, bestätigte der DGKH-Experte Walger, der selbst den Fachbereich Hygiene eines Klinikverbunds leitet.

Die Arbeitsanweisung in der Vivantes-Klinik, dass das Personal grundsätzlich beim Intubieren FFP2-Masken und bei Covid-Patienten FFP3-Masken verwenden soll, sei laut der Krankenschwester jedoch relativ spät gekommen.

Schutzmaterial auf Intensivstation rationiert

Auch bei der Charité seien Pflegekräfte über den Maskenmangel frustriert. So musste nach eigenen Angaben ein Krankenpfleger pro Schicht einen Mundschutz tragen. „Einen Mundschutz, um elf Patienten, mich und meine Familie zu schützen. (...) Das ist nicht nur hochriskant und fahrlässig, sondern das ist auch absolut verantwortungslos“, kritisierte er auf Facebook.

Ebenso sei auf Intensivstationen der Charité, in denen Covid-19-Patienten versorgt werden, das Schutzmaterial laut Aussagen einer Krankenschwester rationiert worden. Ihre Kollegen und Kolleginnen stünden „gerade enorm unter Druck, besonders sparsam mit dem zur Verfügung stehenden Material zu arbeiten“, erklärte sie.

Rund 4.500 Beschäftigte von Charité und Vivantes unterschrieben eine Petition an den Berliner Senat, in der sie mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen fordern. Die Forderung nach „ausreichend Schutzmaterial“ stand an erster Stelle.

Bestand an FFP-Masken reicht derzeit etwa einen Monat

Trotz mehrerer Nachfragen von RBB habe die Charité ihren Bedarf an Schutzmasken nicht beziffern können - und erst in einem internen Lagebericht des Berliner Krisenstabes habe RBB erfahren können, dass Vivantes kürzlich im Auftrag der Senatsverwaltung jede Menge Schutzausrüstung bestellte. Laut der Finanzverwaltung soll sie den Bedarf für drei Monate decken, Kosten: mehr als 20 Millionen Euro.

Der Lagerbestand der so wichtigen FFP-2-Schutzmasken reiche an sich aus, um „die Gesundheitseinrichtungen im Land Berlin für knapp einen Monat gesichert zu versorgen“, sagt der Sprecher Moritz Quiske. So lange im Voraus plant der Berliner Senat generell bei der Schutzausrüstung. „Einen Lagerbestand für drei Monate aufzubauen ist bislang keine sich stellende Aufgabe.“

Doch die Lage könnte sich bald ändern: Am Montag vergangener Woche stoppte die Finanzverwaltung vorerst die Ausgaben für weitere Bestellungen. Anders als die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci gehe Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) davon aus, dass der Bedarf nicht nur für einen, sondern für drei Monate gedeckt sei. Man wolle nicht zu Lasten von anderen Bedürftigen Schutzausrüstung hamstern, wie es auf Nachfrage heißt.

Demnächst sollen außerdem die normalen Operationen hochgefahren werden – ein Anstieg am Bedarf von Schutzmaterial wäre dann unumgänglich. Nach Aussagen der OP-Schwester würden sie und ihre Kolleginnen dann anfangen, zu demonstrieren – gegen die unzureichende Versorgungslage in den Krankenhäusern.

TRT Deutsch