Das Logo des Bundesverbandes der Deutschen Industrie / Photo: DPA (dpa)
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Die Industrie hat sich mit eigenen Berechnungen zum Investitionsbedarf in Deutschland in den Haushaltsstreit eingeschaltet. „In den Haushaltsplanungen der öffentlichen Hand fehlen über die kommenden zehn Jahre Mittel für Investitionen und Förderprogramme von rund 400 Milliarden Euro“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Mittwoch. Das Geld müsse vor allem in Verkehr und Bildung sowie in die „grüne Transformation“ und den „Aufbau wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit“ fließen.

„Das Industrieland Deutschland hat über Jahrzehnte zu wenig investiert, und jetzt kommen neue Investitionsbedarfe hinzu“, erklärte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Wir müssen die Transformation zu einem klimaneutralen und digitalen Land beschleunigen, das fordert uns in den kommenden zehn Jahren gewaltig.“ Die Finanzierung dafür müsse jetzt geklärt werden.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) wies den Vorstoß zurück. „Die Schaffung von schuldenfinanzierten Sondervermögen ist kein Zaubertrick, der fiskalische und rechtliche Probleme löst“, schrieb der Minister im Netzwerk LinkedIn. Zudem verfüge der Bund über hinreichende Einnahmen für umfangreiche Investitionen bis 2030.

Massive Finanzierungslücke im Bereich Infrastruktur

Der BDI gibt an, mit seiner Berechnung eine „Informationslücke in der politischen Debatte“ zu schließen. Die Experten des Verbandes hätten die gesetzlich festgelegten Ziele mit den Haushaltsplanungen von Bund, Ländern und Kommunen abgeglichen. Die mit Abstand größte Finanzierungslücke klafft demnach im Bereich Infrastruktur: 315 Milliarden Euro fehlen für Verkehrswege, Bildungseinrichtungen und den Gebäude- bzw. Wohnungsbau.

In anderen Feldern sei der bislang nicht gedeckte Finanzbedarf „überschaubar“, erklärte der BDI. Etwa falle die Finanzierungslücke bei klimapolitischen Maßnahmen wie der Dekarbonisierung der Industrie und dem Aufbau von Tank- und Ladeinfrastrukturen mit sechs bis sieben Milliarden Euro pro Jahr „moderat“ aus. Allerdings fehlten in den Berechnungen mehrere Kostenpunkte im Energiebereich, weil die politischen Entscheidungen etwa für den Umbau des Stromnetzes oder die Infrastruktur von Wasserstoff noch nicht gefallen seien.

BDI fordert Reformen statt Lockerung der Schuldenbremse

Zugleich spricht sich der BDI gegen die Abschaffung oder das Aufweichen der Schuldenbremse aus. „Vielmehr muss die Politik Ausgaben konsequenter als bislang priorisieren und zudem Gelder effizienter einsetzen“, erklärten die Wirtschaftsvertreter. Außerdem brauche es „strukturelle Reformen“ gegen den Fachkräftemangel und zum Bürokratieabbau. Sollte dies gelingen, hält der BDI auch „präzise zweckgebundene und zeitlich klar definierte Sondervermögen“ für angemessen.

Kritik am Vorstoß des BDI kam auch aus der Union. „Sondervermögen lösen die Probleme nicht“, sagte deren Chefhaushälter Christian Haase der „Rheinischen Post“. Zudem seien eher überlange Planungs- und Genehmigungsverfahren das Problem als fehlendes Geld.

Aufgeschlossen für den BDI-Vorschlag zeigte sich Grünen-Parteichef Omid Nouripour. „Unser Land braucht Investitionen, um den gigantischen Modernisierungsstau aufzulösen - sei es bei Bildung und Digitalisierung, der Sanierung und dem Ausbau von Straßen und Schienen oder beim Klimaschutz“, sagte er dem „Handelsblatt“ mit Blick auf die BDI-Forderungen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits wiederholt mehr Geld für notwendige Investitionen zum Umbau der Wirtschaft angemahnt.

In der Ampel-Koalition wird derzeit heftig um die Haushaltsplanung für das kommende Jahr gerungen. Die FDP lehnt jegliche Ausnahmen von der Schuldenbremse ebenso ab wie mögliche Steuererhöhungen. Umgekehrt wehren sich SPD und Grüne gegen Kürzungen im Sozialbereich oder beim Klimaschutz.

AFP