Eine Grundschülerin aus Baden-Württemberg hat wegen Gebrauch der türkischen Sprache während der Pause eine Strafarbeit schreiben müssen. Darüber berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu (AA). Demnach hatte sich die Drittklässlerin in der Gemeinde Villingen-Schwenningen auf der Hofpause mit ihren Mitschülern auf Türkisch unterhalten und wurde dafür von ihrer Lehrerin bestraft. Das 9-jährige Mädchen sei aufgefordert worden, als Strafe einen Aufsatz mit dem Thema „Warum wir in der Schule Deutsch sprechen!“ zu schreiben.
Die Familie des Kindes reagierte: Die als unpädagogisch und diskriminierend empfundene Maßnahme wurde zur Anzeige gebracht. Auch in den sozialen Medien hagelte es Kritik. In dem von der Schülerin verfassten Text heißt es unter anderem: „Ihr wollt, dass wir Deutsch sprechen.“
Der Anwalt der Familie, Yalçın Tekinoğlu, erklärte gegenüber AA, die Familie lehne eine derartige Strafmaßnahme ab. Die Mutter habe nach einem unfruchtbaren Gespräch mit der Lehrkraft den Entschluss gefasst, den rechtlichen Weg einzuschlagen. „Anfangs haben sie das Gespräch mit der Familie verweigert“, sagte Tekinoğlu. Nun suche die Schuldirektion das Gespräch und versuche, die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Die Lehrkraft sei noch jung und neu im Dienst, habe die Schulleitung bekundet und damit das Verhalten der Lehrerin verteidigen wollen.
Der konsequenten Nutzung der deutschen Sprache im Klassenzimmer begegneten die Eltern mit Verständnis, erklärteTekinoğlu. Aber ein Sprachverbot außerhalb des Unterrichts sei inakzeptabel.
Trotz der vehementen Kritik der Eltern habe die Lehrerin vergangene Woche gesagt, die Maßnahme liege im Rahmen ihres pädagogischen Entscheidungsrechts. Mit dieser Strafe werde das Kind das Türkischsprechen unterlassen. Mit einer Anzeige käme die Familie nicht weit und solle daher die Strafmaßnahme akzeptieren, habe sie hinzugefügt, so Tekinoğlu. Die Familie der Drittklässlerin habe auch beim Bildungsministerium des Landes eine Beschwerde eingereicht.
„Strafarbeit für Muttersprache führt zu Identitätskrise“
Eine Lehrerin, die mit der Mutter des Kindes befreundet ist, hatte bei Instagram auf den Vorfall aufmerksam gemacht. Die Strafarbeit sei der Schülerin „ohne Vorwarnung“ auferlegt worden. In ihrem Post hinterfragt die Pädagogin den Sinn einer solchen Maßnahme. „Wird es einer 9-Jährigen durch diese Strafarbeit klar? Oder führt es eher zu Identitätskrisen beim Kind?“, heißt es dort. Es handele sich um einen Fall von Diskriminierung und Rassismus, da die Schülerin aufgrund ihrer „kulturellen Herkunft“ benachteiligt werde.
Auch Tekinoğlu warnte vor den psychischen Folgen durch die auferlegte Strafarbeit. Sie führe zu einer gesellschaftlichen Spaltung. Die Schülerin habe in ihrem Text die Pronomen „ihr“ für die Mehrheitsgesellschaft und „wir“ für die türkischsprachige Minderheit verwendet. „Dass ein 9-jähriges Kind sich in der Pflicht sieht, solche Zeilen zu verfassen, ist erschreckend“, fügte er hinzu.