Dutzende hochrangige Beamte und ihre Familien sollen zwischen Ende 2017 und Ende 2019 sogenannte „Goldene Pässe” von Zypern gekauft haben. Dies belegen zahlreiche vertrauliche Dokumente der griechisch-zyprischen Regierung, die von der Al Jazeera-Untersuchungseinheit „The Cyprus Papers” beschafft worden sind.
Unter den Käufern sind gewählte Politiker mehrerer Länder, Vorstandsmitglieder von Staatsunternehmen und der Bruder eines ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten. Für die Pässe sollen mindestens 2,5 Millionen Dollar pro Stück gezahlt worden sein. Von mehr als 2500 Namen ist die Rede.
Die Liste enthält Namen von politisch exponierten Personen (PEPs), also Personen, die einem höheren Korruptionsrisiko ausgesetzt sind, weil sie oder ihre Familienmitglieder in irgendeiner Form eine Regierungsposition innehaben und deshalb bezüglich Geldwäsche strengeren Anforderungen als ein Normalbürger unterliegen.
Doch nicht nur PEPs sind auf der Liste – Zypern soll die Pässe auch an verurteilte oder gesuchte Kriminelle verkauft haben. Im Anschluss an den Veröffentlichungen gab das zypriotische Innenministerium am Sonntag eine Erklärung heraus. Demnach werden die veröffentlichten Informationen überprüft. Das Ministerium fügte hinzu, dass es in den letzten Jahren bereits wesentliche Änderungen am „Investitionsprogramm” vorgenommen habe.
Passkäufer sind PEPs mit Zugang zu große Summen
PEPs haben oft Zugang zu riesigen Summen von Steuergeldern, sagte Laure Brillaud von der Anti-Korruptions-NGO Transparency International gegenüber Al Jazeera. In mehreren Fällen stellt sich die Frage, woher diese Beamten über ein so großes Vermögen verfügen, um mindestens 2,5 Millionen Dollar in die griechisch-zyprische Wirtschaft fließen zu lassen – eine der Voraussetzungen für den Erhalt eines solchen „Goldenen Passes”.
In der Liste befinden sich berühmte Namen von Politikern, Geschäftsmännern und Oligarchen. Mehr als 1000 Russen, 500 Chinesen und 350 Araber seien auf der Liste. Sogar ein Angehöriger der Bin Laden Familie habe ein Pass erworben, nachdem der saudische Kronprinz die Besitztümer von Bin Laden beschlagnahmt hatte.
EU-Staatsbürgerschaft als Schutz für veruntreutes Geld
„In vielen Ländern ist es nur durch illegale Verbindungen und Beziehungen möglich, großen Reichtum zu erwerben”, sagte Nigel Gould-Davies, ein leitender Mitarbeiter des britischen International Institute of Strategic Affairs. Gould-Davies zufolge sei der Grund, warum diese Beamten dann eine zweite oder sogar dritte Staatsbürgerschaft erwerben, der Schutz des im Laufe der Jahre erworbenen (oft illegalen) Vermögens.
„Sobald sie diese Geldsummen durch diese Art von Verbindungen erworben haben, die wir als sehr problematisch erachten, wollen sie diese Vermögenswerte sichern, indem sie ihr Vermögen in Ländern verwahren, in der sie Rechtsstaatlichkeit genießen”, fügte er hinzu und bezog sich dabei auf Zypern.
Griechisch-zyprische Praxis steht schon lange unter Kritik
Die griechisch-zyprische Staatsbürgerschaft ist in vielen Ländern begehrt, da er Zugang zur gesamten Europäischen Union gewährt. Außerdem erlaubt der Erwerb des Passes den Käufern, internationale Sanktionen zu umgehen. Die EU kritisiert das Programm seit 2013 mehrfach und stuft es als Sicherheitsrisiko ein.
Für die EU stellt das Programm eine Hintertür für politisch einflussreiche Personen aus potenziell feindlichen Staaten dar – und als Weg, um Sanktionen zu umgehen.
„Viel schmutziges Geld im Spiel”
Von „viel schmutzigem Geld im Spiel“, sprach Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament und starker Kritiker des Programms, gegenüber Al Jazeera.
Seit 2013 hat der griechische Teil Zyperns so mindestens 7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Geld, mit dem das Land seine angeschlagene Wirtschaft stützen konnte.
In einem Brief an die Europäische Justizkommissarin forderte auch die Europaabgeordnete Sophie in 't Veld ein entschiedeneres Handeln. „Offensichtlich wird die Situation für EU-Bürger, die für Gleichheit und gegen Korruption kämpfen, unhaltbar und unerklärlich“, so in 't Veld.
PEPs weiterhin von Zypern geduldet
Doch obwohl PEPs inzwischen für die Einbürgerung als ungeeignet gelten, gab es noch keine Fälle, in denen diesen die Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Jeder, der für den Erwerb bereits bezahlt hat, kann seinen „Goldenen Pass” behalten.
Auf Fragen von Al Jazeera, warum die neue Gesetzgebung, die es dem Land ermöglicht, die Staatsbürgerschaft zu entziehen, nicht auf PEPs angewandt wird, antwortete der zypriotische Innenminister Nicos Nouris nicht.
Nouris sagte lediglich, dass es nun „einen unabhängigen dreiköpfigen Ausschuss gibt, der alle Informationen über Personen, denen die zypriotische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, untersucht und auswertet”.