Die Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi („Legionaries of Christ“ oder „Legionarios de Cristo“) ist wenige Jahre nach der Enthüllung eines Missbrauchsskandals erneut ins Zwielicht geraten - diesmal jedoch im Kontext dubioser Finanztransaktionen. Aktuelle Berichte des internationalen Journalisten-Netzwerks ICIJ („Pandora-Papers“) bringen die Gruppe mit einem millionenschweren Steueroasen-Konstrukt in Neuseeland in Verbindung, berichtet die spanische Zeitung „El Pais“.
Der 1941 gegründete Orden, der laut Wikipedia im Jahr 2016 über 43,6 Mrd. Euro verfügt haben dürfte, soll zwischen 2010 und 2011 ein System geschaffen habe, mit dem binnen weniger Jahre ein zusätzliches Vermögen von mehr als 295 Millionen US-Dollar in Trusts und Tochtergesellschaften angehäuft worden sei, die aus Investitionen in Immobilien, Technologie und Erdöl stammen.
Erster Trust drei Tage vor Ordensumbau gegründet
Pikant ist daran unter anderem, dass im gleichen Zeitraum Papst Benedikt XVI. eine umfassende Neuordnung der katholischen Gemeinschaft in die Wege leitete. Hintergrund war der Missbrauchsskandal um den mexikanischen Gründer Marcial Maciel Degollado (1920-2008), den das Internetportal der Katholischen Bischofskonferenz in Deutschland, „katholisch.de“, in einem Beitrag von 2020 als den „wohl perfektesten Kriminellen im Priesterkragen bezeichnete“.
Maciel hat laut Eigenangaben der Legionäre Christi mindestens 60 Minderjährige missbraucht. Der Ordensgründer war morphiumsüchtig, führte ein Doppelleben mit zwei Frauen und hatte mehrere Kinder. Unter Papst Benedixt XVI. wurde sein Orden umorganisiert.
Laut den ICIJ-Recherchen wurde der erste Legionärs-Trust genau drei Tage vor Ernennung des damaligen päpstlichen Gesandten Velasio De Paolis zum Oberhaupt des Ordens gegründet. Der Kardinal war damals für die strukturellen und geistlichen Veränderungen in dem Orden zuständig.
Orden übernimmt keine Verantwortung
Die Legionäre Christi bestätigten „El País“ gegenüber eine Verbindung zu diesem ersten Trust. Dieser sei in erster Linie für Spenden und karitative Zwecke gedacht gewesen und sei ein legales Instrument. Die Verantwortung für die restlichen in den „Pandora Papers“ genannten Finanzkonstrukte könne man dem Orden nicht zuschreiben.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gemeinschaft wegen dubioser Konten in Steuerparadiesen in die Schlagzeilen gerät. Italienische Medien hatten 2017 berichtet, dass in Panama noch einige in den 1980er Jahren zur Steuervermeidung gegründete Offshore-Gesellschaften der Legionäre existierten.
„Keine Scheinfirmen“
Die Generaldirektion des Ordens in Rom teilte damals mit, sämtliche Gesellschaften auf Bermuda, in Panama, Jersey und den Virgin Islands, auf die sich die Berichte bezögen, seien in Zeiten Maciels geschaffen und später geschlossen worden.
Wo es Beziehungen mit Offshore-Gesellschaften gegeben habe, seien die geltenden Gesetze respektiert worden. „Es handelte sich nicht um Scheinfirmen zu unlauteren Zwecken“, so die Ordensleitung gegenüber „El País“.
Die Legionäre Christi und die spanische Volkspartei
Auch spanische Politiker der Volkspartei („Partido Popular“) werden mit den Legionären Christi in Verbindung gebracht. Dazu zählen Ana Botella, die ehemalige Bürgermeisterin von Madrid und Ehefrau des früheren Ministerpräsidenten José María Aznar, und der ehemalige Minister Ángel Acebes.
Dem Journalisten Jesús Rodríguez zufolge, der über die Legionäre Christi ein Buch verfasst hat, spielte Ana Botella seit Ende der neunziger Jahre eine Schlüsselrolle beim schwindelerregenden Aufstieg der Legionäre in Spanien. Zu dieser Zeit hatte Botella noch keine eigene politische Laufbahn eingeschlagen, aber damit begonnen, eine Struktur für öffentliche Aktionen in sozialen und NRO-Angelegenheiten zu entwickeln, bei denen sie den der Legion angehörenden Geschäftsmann Daniel Sada als ihren wichtigsten Berater hatte.
Diese Verbindungen würden bis heute bestehen, so Rodríguez. So ist die Schwester von Ana Botella, Macarena Botella, die derzeitige Direktorin für institutionelle Beziehungen an der Universität Francisco de Vitoria in Madrid, einer von der Legion gegründeten Universität. An derselben Universität ist die Frau des ehemaligen Ministers Ángel Acebes Direktorin des Studiengangs für Krankenpflege.
Reiche Familien aus Lateinamerika als Rückgrat der „Legionäre Christi“
Die Ordensgemeinschaft der „Legionäre Christi“ zählt laut eigenen Angaben derzeit 1501 Mitglieder aus 40 Ländern, die in 21 Ländern tätig sind. Zusammen mit der Laienbewegung Regnum Christi mit weltweit rund 23.000 Mitgliedern bilden die Legionäre Christi eine sogenannte geistliche Familie.
Finanziert werden die „Legionäre“ aus reichen Familien: „In guten oder sehr guten Zeiten haben sie bis zu 86 Millionen Euro pro Jahr aus guten Familien bekommen, vorzugsweise aus lateinamerikanischen Familien und vorzugsweise aus mexikanischen Familien, wo die Bewegung entstanden ist“, erklärte der Journalist José María Rivero während einer Sondersendung über die Legionäre Christi im spanischen TV-Kanal „La Sexta“.
Einige dieser Wohltäter sind der Milliardär Carlos Slim, dem in Österreich die Telekom Austria gehört, Lorenzo Servijet, Gründer des Bimbo-Konzerns, und die Familie Gaza, die als reichste mexikanische Familie im Forbes-Magazin aufscheint, so Rivero.
Missbrauchsvergangenheit
Nach Angaben von „katholisch.de“ machen die 33 vom Orden selbst eingeräumten Missbrauchstäter rund 2,5 Prozent aller 1353 geweihten Priester der „Legionäre Christi“ in der Geschichte aus. Von den Tätern seien sechs mittlerweile gestorben und acht in den Laienstand zurückversetzt worden. Einer der Täter habe die „Legionäre“ verlassen. Den 18 in der Kongregation Verbliebenen sei der Kontakt mit Minderjährigen untersagt, vier übten ihren Dienst als Priester unter Einschränkungen aus, 14 dürfen das Priesteramt nicht mehr öffentlich ausüben.
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