The logo of German international broadcaster Deutsche Welle is pictured in Berlin (Reuters)
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Die Inhalte der in Deutschland beheimateten Deutschen Welle Türkisch (DW Türkçe) sind regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in Türkiye. In diesem Zusammenhang begegnet uns der Name DW Türkisch auf unterschiedlichen Medienplattformen, insbesondere in den sozialen Medien. So reagieren Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter oft in der Art, dass sie ausgewählte Inhalte von DW Turkisch nicht nur teilen, sondern auch kritisieren und herausstellen, dass sich die DW Türkisch in einer anderen Weise auf Türkiye fokussiert als die DW selbst.

Während also die geistige Einstellung der DW Türkisch zum Thema gemacht wird, stellen die Nutzer ebenso eine Beziehung zwischen dem deutschen Staat und der DW her. Hintergrund dafür ist, dass die DW ein öffentlich-rechtlicher Sender finanziert aus Steuermitteln des deutschen Staates ist, mit dem Auftrag, in verschiedenen Sprachen global Inhalte zu verbreiten. In diesem Sinne stützen diejenigen, die sich mit dem Thema etwas näher beschäftigen, ihre Einstellung gegenüber dem Sender auf dessen Sendepolitik und den historischen Hintergrund der DW. Das ist auch der Grund, warum bei Beiträgen der DW Türkisch von den Bürgern in Türkiye automatisch eine Verbindung zu Deutschland hergestellt wird. Dieser Wahrnehmung kann von den Verantwortlichen der DW widersprochen und unterstrichen werden, zwischen Sendepolitik der DW und dem deutschen Staat selbst bestehe kein direkter Zusammenhang. Sie können ebenso betonen, sie seien ein unabhängiges Medienorgan, welches isoliert von der Politik agiere und sich seine Reputation mit hochwertigem Journalismus verdient habe, der in verschiedenen Ländern und Regionen von den Mitarbeitern gestützt werde. Das ist natürlich ihr gutes Recht. Am Ende des Tages entscheidet aber das Publikum, welche Einschätzung richtig ist, und nimmt eine entsprechende Positionierung vor. Dementsprechend hat die Gesellschaft in Türkiye eine nüchterne Einstellung zur DW Türkisch, die als offizielles Organ Deutschlands gesehen und folgerichtig automatisch ein Bezug zwischen den dort veröffentlichten Inhalten und der Außenpolitik des deutschen Staates hergestellt wird. Wenn diese Einschätzung nicht der Realität entspricht und es sich also nur um die Wahrnehmung bestimmter Zuhörergruppen handelt, liegt es an den Verantwortlichen der DW, diesem Eindruck entgegenzuwirken.

Nachrichten mit zweierlei Maß

Einer der auffälligsten Punkte in den von der DW Türkisch aufbereiteten Nachrichten ist die an den Tag gelegte Doppelmoral. So wird von Nutzern mit Beispielen dargelegt, dass die DW Türkisch eine grundsätzlich positive Einstellung zu Ereignissen hat, die in Deutschland oder einem anderen Land stattfinden, aber immer, wenn es um Türkiye geht, eine negative Einstellung dominiert. Wenn also beispielsweise die gesetzlichen Reglementierungen für Veröffentlichungen auf Social-Media-Plattformen auf die Tagesordnung kommen, gibt es hier positive Nachrichten für den Gesetzentwurf aus Deutschland. So titelten entsprechende Nachrichten vom 30. Juni 2017 wie folgt: „Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, das Anbietern von sozialen Netzwerken strengere Auflagen hinsichtlich ihrer Verantwortung im Kampf gegen Hassbeiträge auferlegt. Jetzt müssen Facebook und Twitter härter gegen Hass vorgehen.“ Es wird im Zusammenhang mit dieser Nachricht eine positive Sprache verwendet und damit der Rahmen für den Inhalt der Berichterstattung gesetzt.

Bemerkenswert ist, dass in den Nachrichten von DW Türkisch über einen ähnlichen Gesetzesentwurf, der in Türkiye vorbereitet wird, ein anderer Ansatz zum Zug kommt. Unter der Überschrift „Tausenden von Menschen droht vor Gericht gestellt zu werden“, einer am 18. Juni 2022 veröffentlichten Nachricht, wird die geplante gesetzliche Regelung mit einer negativen Konnotation geteilt. Bei der Bewertung des "Gesetzes gegen Desinformationen" stellt die DW Türkisch die Warnung des Cyberrechtsexperten Yaman Akdeniz in den Vordergrund, der meint, dass „Tausenden von Menschen droht vor Gericht gestellt zu werden“ wegen des im Gesetzentwurf formulierten Tatbestandes der "öffentlichen Verbreitung irreführender Informationen". Es folgen weitere Inhalte, die das formulierte Vorurteil in der Einleitung, dem Hauptteil- und dem Schlussabschnitt unterstützen. In der Nachricht werden Meinungen von Anwälten, die den entsprechenden Gesetzentwurf unterstützen, nicht berücksichtigt, und die Argumente, auf die sich der Gesetzentwurf stützt, werden ignoriert. Darüber hinaus untermalt das in dem Twitter-Header verwendete Bildmaterial für die türkischen DW-Videonachrichten den Inhalt der zitierten Nachricht. So fällt im Zusammenhang mit dem „Gesetz gegen Desinformationen“ als verwendeter Teaser vom Cyber-Rechtsexperten @cyberrights der Begriff „Wahlvorbereitung“, während ein anderer Teaser sich direkt auf die türkische Innenpolitik bezieht und betont: „Da wir uns dem Wahljahr 2023 nähern, droht Hunderten, sogar Tausenden von Menschen wegen dieses neuen Tatbestands die strafrechtliche Verfolgung.“ In einer anderen Nachricht, die am 2. Juli 2020 veröffentlicht wurde, titelte die DW Türkisch einen ähnlichen Beitrag mit dem Satz „Internetfreiheit in Türkiye im Würgegriff“ als Überschrift.

Die vom Twitter-Account der DW Türkisch geteilten Teaser und die angehängten Nachrichten scheinen deshalb gewählt worden zu sein, um die Thematik auf sensationellere Weise öffentlich zu machen. Die Tatsache, dass es sich bei dem Satz im Titel um die Meinung eines Juristen handelt, bedeutet aber im Rahmen der weiteren Diskursanalyse, dass damit die DW Türkisch außen vor wäre. Die generelle Einstellung, welche journalistischen Inhalte erscheinen, wie selbige betitelt und wessen Meinungen wiedergegeben werden, sowie die Entscheidung, was letztlich dem Nutzer vermittelt wird, spiegeln die allgemeine Redaktionspolitik wider, welche am Ende die inhaltliche Gestaltung prägt. Folgerichtig legt die DW Türkisch, wie hier exemplarisch dargelegt, für Deutschland einen positiven und für Türkiye einen negativen Ansatz zu den gesetzlichen Regelungen für die Betreiber sozialer Netzwerke zugrunde. Dieser Ansatz, von den Nutzern in Türkiye übrigens sorgfältig verfolgt, wird als Ausdruck einer Doppelmoral definiert. Da die DW Türkisch in türkischer Sprache veröffentlicht, wird sie darüber hinaus als Instrument deutscher Außenpolitik bewertet.

Im Widerspruch zur türkisch-deutschen-Freundschaft

Das Thema „Sexarbeiterinnen/Prostituierte“ steht im Mittelpunkt eines weiteren Inhalts, der in den sozialen Medien zu lebhaften Debatten geführt hat. Die Nachricht, die zuerst auf dem Youtube-Kanal +90 unter den Titeln „Sexarbeiterin sein“ und „Yasemin ist Sexarbeiterin und liebt ihren Job“ ausgestrahlt wurde, erschien später auch im türkischen Dienst der DW. Betrachtet man den Inhalt der Nachrichten näher, wird berichtet, dass Frauen, die in Türkiye in der Sexarbeit und Prostitution tätig sind, sehr gutes Geld verdienen und ein gutes Leben führen. Es werden geradezu Anreize dafür gegeben, um diese Arbeit zu leisten. Nach der Veröffentlichung der Nachricht durch die DW Türkisch gab es Beiträge von Social-Media-Nutzern, die aufzeigten, dass die DW bei der Beschäftigung mit der Thematik selbige für Türkiye mit einem positiven, aber für Deutschland mit einem negativen Ansatz aufarbeitete. So wurde von Nutzern eine Nachricht der DW vom 22.06.2018 zitiert, in der darüber berichtet wird, wie Prostituierte in Deutschland geschlagen werden und kaum in der Lage sind, ihre Miete zu zahlen. Auch wurde ein erniedrigendes Foto als Bildmaterial für die Nachricht verwendet.

In diesem Rahmen sei daran erinnert, dass der Kanal +90 2019 gemeinsam von vier Sendeanstalten mit Sitz in Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich gegründet wurde, um Beiträge auf Türkisch zu veröffentlichen, wobei die DW im Zentrum dieses Projekts steht.

Entsprechend lassen sich weitere Beispiele für die dargelegte Doppelmoral anführen. Aufgrund der Art der Inhalte wird die DW Türkisch von Social-Media-Nutzern in Türkiye für ihre journalistische Inkonsistenz stark kritisiert. Durch die darüber hinaus erfolgende Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen DW Türkisch und der deutschen Außenpolitik werfen solche Nachrichten in Türkiye in den Köpfen der Bürger Fragezeichen auf. Möglicherweise sind sich die Verantwortlichen in Deutschland dieser Inhalte und Herangehensweisen noch nicht einmal bewusst. Denn die türkisch-deutsche Freundschaft und Nähe entspringt tief verwurzelten Beziehungen und Freundschaften, angefangen von Sultan Abdulhamid II., über Atatürk und von dort bis in die Gegenwart. Da viele Social-Media-Nutzer die historische Dynamik der türkisch-deutschen Freundschaft kennen, fällt es ihnen schwer, diese Doppelmoral in der Berichterstattung über Türkiye nachzuvollziehen. Bezugnehmend auf den Titel dieses Artikels wird die Frage, wen die DW Türkisch wirklich vertritt und mit welchem Anspruch sie Inhalte produziert, in der nächsten Zeit wohl häufiger gestellt werden.

Die DW Türkisch steht dabei nicht nur wegen ihrer einseitigen Berichterstattung auf der öffentlichen Agenda, sondern auch, weil sie in Türkiye geltende gesetzliche Regelungen ignoriert. In diesem Zusammenhang verkündete die türkische Justiz am 30. Juni eine Entscheidung, wonach der Zugang auf die Seiten von DW Türkisch gesperrt wird. Die Medienaufsicht von Türkiye hatte bereits im Februar dieses Jahres angekündigt, dass alle internationale Nachrichtenseiten, die auf Türkisch veröffentlichen, einer Prüfung unterzogen würden. Entsprechend gewährte RTÜK den Nachrichtenseiten Voice of America, DW Türkisch und Euronews 72 Stunden, um erforderliche Lizenzen zu beantragen, und kündigte an, den Zugriff auf Seiten ohne Lizenz zu sperren. Das Urteil der türkischen Justiz vom 30. Juni erfolgte genau deshalb, weil die genannten Nachrichtenseiten sich nicht an diese Regelung gehalten haben.

Warum sich ausgerechnet auch die DW Türkisch nicht an die geltenden gesetzlichen Vorschriften in Türkiye hält, bleibt ein Rätsel.

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