Weltgemeinschaft im Stillstand in Palästina (Others)
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Es ist nun ein Jahr vergangen, seit der Krieg zwischen Israel und Palästina erneut ausbrach. Tatsächlich handelt es sich hierbei nicht um den ersten Konflikt zwischen diesen beiden Staaten. Der Konflikt besteht seit 1948 und hat sich im Laufe der Jahre in unterschiedlichen Intensitäten manifestiert, manchmal eskalierend und manchmal nachlassend. Daher wäre es ungenau zu behaupten, dieser Krieg habe erst vor einem Jahr begonnen.

Ein entscheidender Unterschied zu früheren Konflikten liegt jedoch in der Art und Weise, wie wir heute von diesen Ereignissen erfahren. Dank der weit verbreiteten Nutzung des Internets und der Verbreitung von Smartphones wird der Krieg von der gesamten Welt quasi live verfolgt. Bilder von toten Kindern, zerstörten Schulen und Krankenhäusern sowie bombardierten Flüchtlingslagern erscheinen in Echtzeit auf unseren Bildschirmen. Trotz dieser unmittelbaren Sichtbarkeit zögern die Länder und internationalen Organisationen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Konflikt zu beenden. Besonders auffällig ist das Versagen von Institutionen wie den Vereinten Nationen, die dafür verantwortlich sind, Lösungen für solche Krisen zu finden und den Krieg zu stoppen.

UN-Generalsekretär António Guterres hat in diesem Zusammenhang die Situation klar angesprochen: Er bezeichnete den Sicherheitsrat als ein „veraltetes“, „ungerechtes“ und „ineffektives System“, dessen Unfähigkeit, den Krieg Israels gegen Gaza zu beenden, die Glaubwürdigkeit der gesamten Organisation erheblich untergrabe. Guterres betont zudem: „Für uns ist dieses Versagen des Sicherheitsrates ein schwerwiegendes Handicap für unsere Arbeit vor Ort.“

Wie die UN versagt hat

Die Vereinten Nationen haben nach den schrecklichen Gräueltaten in Ruanda und Bosnien in den 1990er Jahren eine wichtige Initiative ins Leben gerufen, um eine neue internationale Norm zu etablieren, die darauf abzielt, zukünftige Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. Dieses Konzept, bekannt als Verantwortung zum Schutz (R2P), hinterfragt die traditionelle Auffassung von Staatensouveränität und postuliert, dass die internationale Gemeinschaft eingreifen muss, wenn ein Staat seine Bürger nicht vor schwerem Leid schützt.

Die R2P gründet sich auf grundlegenden Prinzipien, die festlegen, dass die Hauptverantwortung für den Schutz der Bürger vor Völkermord, Kriegsverbrechen und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beim jeweiligen Staat liegt. Sollte ein Staat mit dieser Verantwortung überfordert sein, ist es die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, Unterstützung zu bieten, um dessen Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu stärken. Wenn ein Staat jedoch offensichtlich versagt, muss die internationale Gemeinschaft mit geeigneten Maßnahmen reagieren, die in extremen Fällen auch militärische Interventionen beinhalten können, jedoch nur mit der Genehmigung des UN-Sicherheitsrates.

Dieser Ansatz demonstriert die Bereitschaft der Weltgemeinschaft, Verantwortung zu übernehmen, um humanitäre Krisen zu bekämpfen, und hebt die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit hervor. Angesichts der Tragödien in Ruanda und Bosnien wird jedoch deutlich, dass das Konzept der R2P in der Praxis oft nicht funktioniert, wie die aktuelle Situation in Gaza zeigt. António Guterres beschreibt in einem Interview die Ursachen dieser Misere: „Jeder macht, was er will.“ (…) „Die geopolitische Kluft, die zwischen den großen Mächten besteht, hat eine Situation geschaffen, in der jedes Land oder jede Bewegung überall auf der Welt glaubt, es könne tun, was es wolle, weil es keine Bestrafung und keine Verantwortlichkeit geben wird.“

Stellt sich die Frage, ob es so weitergehen kann. Werden die mächtigen Staaten weiterhin tun, was ihnen beliebt, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden? Wie lange kann die Welt in einem solchen System überleben?

Das diplomatische Versagen der Europäischen Union

Die Europäische Union (EU) hat in diesem Prozess, ähnlich wie die Vereinten Nationen, durch ihre Unzulänglichkeiten in der Friedenssicherung und Konfliktlösung auf sich aufmerksam gemacht. Abgesehen von zurückhaltenden Äußerungen zur Notwendigkeit von Stabilität in der Region und der Forderung an Israel, die zivilen Opfer zu berücksichtigen, kann nicht behauptet werden, die EU hätte eine bedeutende Stellungnahme abgegeben. Wie die UN hat auch die EU nicht aktiv zur Lösung des Konflikts beigetragen, was sowohl historische als auch politische Ursachen hat.

Seit langem schon hat die EU ihre Rolle auf der internationalen Bühne verloren. Sie hat ihre Sicherheitsinteressen der NATO und somit den USA überlassen und konnte im Russisch-Ukrainischen Krieg keine effektive Diplomatie und Politik verfolgen. Zwar wurden einige Sanktionen gegen Russland verhängt, jedoch haben diese zu einem Anstieg der Energie- und Gaspreise in den EU-Ländern geführt, was wiederum die Inflation in die Höhe treibt. Im Israel-Palästina-Konflikt hat die EU, wie im Fall des Russisch-Ukrainischen Krieges, nicht die gewünschte Wirksamkeit bei der Vermittlung von Friedensgesprächen gezeigt. Frühere diplomatische Bemühungen blieben häufig ergebnislos, während das vorhandene Misstrauen zwischen den Parteien die Vermittlungsversuche der EU zusätzlich erschwert.

Das Problem der Verantwortlichkeit

Die EU hat sich als unzulänglich erwiesen, wenn es darum geht, eine klare und entschlossene Haltung gegenüber Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen einzunehmen. Menschenrechte zählen zu den zentralen Werten der EU, und in den vergangenen Jahrzehnten hat sie die Menschenrechtsagenda als politisches Instrument in vielen Ländern gefördert. Im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts jedoch scheint die EU häufig mehr an politischen Interessen als an der Wahrung von Menschenrechten interessiert zu sein. Diese Abkehr von ihren Grundprinzipien untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit der EU, sondern gefährdet auch die Stabilität des internationalen Systems.

Die Versäumnisse sowohl der UN als auch der Europäischen Union offenbaren tiefgreifende Probleme innerhalb der internationalen Gemeinschaft, die sich in den anhaltenden humanitären Krisen der Region widerspiegeln. Angesichts dieser Herausforderungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die UN eine effektivere und konsistentere Politik entwickelt, um den Frieden im Israel-Palästina-Konflikt zu fördern und die internationale Sicherheit zu stärken. Doch im gegenwärtigen System scheint es schwierig, solche Reformen zu implementieren. Daher ist es unerlässlich, dass die UN umfassende Änderungen durchführt, um die Welt langfristig zu einem stabileren und friedlicheren Ort zu machen.


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