21.10.2020, Berlin: Polizisten stehen am Eingang der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg.  (dpa)
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Bei einem Einsatz mit einem Großaufgebot hat die Berliner Polizei Razzien in mehreren Firmen sowie einer Moschee im Stadtteil Kreuzberg durchgeführt. Dabei soll es um den Verdacht auf Subventionsbetrug durch Corona-Hilfsgelder gegangen sein. Eine Person aus dem Vorstand der Kreuzberger Mevlana-Moschee habe demnach 14.000 Euro Soforthilfe beantragt.

Medienvertreter vorab informiert

Wie der Berliner Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erfuhr, handle es sich bei dem Gebetshaus um einen gemeinnützigen Verein, der jedoch kein Anrecht auf Subventionsgelder habe. Die Polizei Berlin teilte mit, dass an dem Einsatz des Landeskriminalamts etwa 150 Beamte teilnahmen. Dass allerdings bei dem Einsatz auch zuvor in Kenntnis gesetzte Medienvertreter anwesend waren, deutet auf eine konzertierte Aktion hin.

Mutmaßliche Stellungnahme der Polizei Berlin aufgetaucht

Laut einer Stellungnahme, die der Berliner Polizei zugeschrieben wird, befanden sich „ca. 70 Dienstkräfte in den Räumlichkeiten der Moscheegemeinde“. Türen, für die ein Schlüssel beschafft werden konnte, seien mit diesem geöffnet worden; jedoch sollen Gegenstände, für die es keine Schlüssel gab, „gewaltsam geöffnet“ worden sein. Die etwa 30 Betenden hätten noch die Gelegenheit bekommen, ihr „Gebet zu beenden und anschließend die Örtlichkeit zu verlassen“. Zudem sei im Gebetsraum eine Vliesdecke ausgerollt worden, „auf dem sich die eingesetzten Kräfte im Anschluss bewegten“, heißt es weiter in dem Schreiben. Auch ein Bargeldspürhund soll sich auf dem Vlies bewegt haben. In dem Schreiben wird das Vorgehen der Beamten verteidigt: „Das differenzierte Vorgehen“ zeige, so die Stellungnahme, dass die „Einsatzdurchführungen mit dem religiösen Empfinden der Muslime weitestgehend in Übereinstimmung gebracht wurden“.

Nachteil für alle Muslime in Deutschland

Nichtsdestotrotz ist auch das vermeintliche Verhalten des Vereinsvorstands, der diesen Einsatz in Teilen mit zu verantworten hat, kritikwürdig. Als ein durch die Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geratener Unternehmer steht einem grundsätzlich das Recht zu, staatliche Hilfen zu beantragen. Aber dann sollte die Person auch darauf achten, keine groben Formfehler zu begehen. Denn durch dieses persönliche Vorgehen hat der Vorstand nicht nur seiner eigenen Moscheegemeinde in Berlin, sondern einer ganzen Religionsgemeinschaft enormen Schaden zugefügt. Im Klartext: Wenn in irgendeiner Form Kontakte oder Konten der Moschee zu persönlichen Zwecken genutzt worden sind, war das kein richtiger Schritt. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob es angebracht war, aufgrund solch eines mutmaßlichen Fehlers gleich mit einem Großaufgebot samt Hunden eine Moschee während des Gebets zu stürmen.

Mevlana-Moschee: Vorgehen unverhältnismäßig

Die Mevlana-Moschee veröffentlichte nach der Razzia eine Pressemitteilung, die auch auf ihrer Facebook-Seite geteilt wurde. Darin bezeichnete der Vorstand die Beschuldigungen als „inakzeptabel“ und kritisierte das „unverhältnismäßige“ Vorgehen der vermummten Sicherheitskräfte. Der Verein erklärte, dass der Antrag berechtigt gewesen sei und offene Fragen durch eine einfache Kontaktaufnahme aus dem Weg hätten geräumt werden können. Zudem erklärte der Vereinsvorstand: In den frühen Morgenstunden seien „ca. mehr als 100 Polizeibeamte zum Teil mit Sturmhauben in die Moschee eingedrungen, und zwar während sich die Gemeinde im Morgengebet befand.“ Eine Tür sowie eine Spendenbox seien aufgebrochen worden, obwohl angeboten wurde, diese aufzuschließen. „Sechs Stunden lang wurden angebliche Beweismittel sichergestellt“. Überdies kündigte der Vorstand in der Pressemitteilung an, juristische Schritte einleiten zu wollen.

Ekrem Şenol, Herausgeber der Onlineplattform Migazin fragte: „Warum schlägt die Polizei Tür kaputt, wenn es Schlüssel gibt?

Wird es Konsequenzen geben?

In der Berliner Mevlana-Moschee wurden die Glaubensfreiheit und die freie Religionsausübung – gelinde ausgedrückt – gestört. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik, die ihr Amt seit April 2018 führt, wird mit der Frage konfrontiert, ob sie als Entscheidungsträgerin und Verantwortliche für diesen übertriebenen Einsatz über mögliche Konsequenzen nachdenkt. So ist beispielsweise zu klären, ob der Einsatzführer der Durchsuchung mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu rechnen hat oder ob Slowik der Meinung ist, die Gesamtsituation möglicherweise falsch eingeschätzt zu haben. Denn ein Teil der Öffentlichkeit wartet auf plausible Erklärungen. Eine Entschuldigung, zumindest für die Störung der Religionsfreiheit, ist nicht allzu viel verlangt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass in Gotteshäusern anderer Religionen in dieser Form eingedrungen wird. Und ich möchte mir auch nicht vorstellen, wie die Reaktion der Verantwortlichen dann aussehen würde. Wir müssen uns außerdem fragen, wohin wir mit der Marginalisierung und Kriminalisierung ganzer Moscheegemeinden und Religionsgemeinschaften hinkommen möchten.

Fest steht: Die als massiv überzogen kritisierte Polizeirazzia in einer Berliner Moschee führt – wieder einmal – zu Verstimmungen und Misstönen innerhalb und außerhalb unseres Landes.

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