Die Frage, wie die Medien in Deutschland aufgestellt sind, wem sie gehören, wie sie funktionieren und finanziert werden, weckt schon seit langer Zeit das Interesse der Öffentlichkeit.Deshalb habe ich mich etwa ein halbes Jahr lang diesem Thema gewidmet und die Medienlandschaft in unserem Land untersucht. Herausgekommen ist am Ende eine wissenschaftliche Studie.
Erforscht wurden neben den Printmedien und den visuellen Medien auch die Onlinemedien sowie der Hörfunk in Deutschland. Die 72-seitige Studie, die kürzlich in türkischer Sprache vorgestellt wurde, wirft zudem einen kritischen Blick auf die Verbindungen von Journalisten in den deutschen Leitmedien zu verschiedenen transatlantischen Vereinen und Organisationen.
In der Studie, die auch als Druckversion geplant ist, werden neben den Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften auch die audiovisuellen Medien wie Rundfunk, Musik, Film und Kino sowie deren Marktdaten, Finanzierung, Nutzung und Wirkung untersucht. In diesem Zusammenhang werden vergangene Daten mit aktuellen Zahlen verglichen und die hervortretenden Unterschiede aufgezeigt.
Von besonderer Bedeutung sind überdies die Themen der Presse im nationalsozialistischen Deutschland und ihre Entwicklung während und nach der alliierten Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Wie auf globaler Ebene verlieren die Printmedien und die dazugehörigen Verlage aufgrund der Digitalisierung auch in Deutschland an Leserschaft, Auflagen und Umsatz. Besonders betroffen sind derzeit Tageszeitungen, Publikumszeitschriften, aber auch Fachperiodika.
„Journalist“ als Berufsfeld nicht geschützt
Über die Anzahl der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland gibt es unterschiedliche Angaben. Dies liegt unter anderem auch an der Tatsache, dass die Berufsbezeichnung „Journalist“ bei uns juristisch nicht geschützt ist. Denn aufgrund der Meinungs- und Pressefreiheit, die im Artikel 5 des Grundgesetzes zugesichert wird, ist der Einstieg in den Journalismus in Deutschland für jede Person frei zugänglich.
Außerdem gibt es Erhebungen, in denen Fotojournalisten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pressestellen oder Freiberufler, die einen erheblichen Teil ihres Lebensunterhaltes aus nichtjournalistischer Tätigkeit bestreiten, beispielsweise im Bereich Public Relations (PR), nicht zur Statistik hinzugerechnet werden. In derlei Datenerhebungen werden Berufsbezeichnungen wie „Publizist“, „Redakteur“, „Schriftsteller“ und „Öffentlichkeitsarbeiter“ nicht als Journalisten gewertet. Deshalb variiert die Zahl derjenigen in Deutschland, die in diesem Segment tätig sind, zum Teil erheblich.
Unterschiede in der Definition – Unterschiede in den Zahlen
Die Statistiken unterscheiden sich je nachdem, wer dort als Journalist definiert wird. Zum Beispiel geht das Statistische Bundesamt aktuell für das Jahr 2019 von ca. 36.000 festangestellten Journalistinnen und Journalisten in deutschen Medienunternehmen aus. Hiervon sind 13.000 Menschen in Zeitungshäusern, 9.000 bei Zeitschriften, 7.000 im öffentlich-rechtlichen TV- und Hörfunk sowie 7.000 im privaten TV- und Hörfunk tätig. Dagegen kommt der Deutsche Journalistenverband (DJV) in einer anderen Statistik auf 72.500 hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten in Deutschland, wovon etwa 43.500 im Pressewesen tätig sind. Nach dieser Erhebung arbeiten 13.500 Festangestellte bei Tageszeitungen, 9.000 bei Zeitschriften und Anzeigeblättern, 9.000 im öffentlich-rechtlichen sowie Privat-TV und Hörfunk. Für Onlinedienste und im Multimediasektor sind 4.000 Journalistinnen und Journalisten tätig und in Agenturen sowie Pressebüros gibt es etwa 1.000 Angestellte.
Die Bundesagentur für Arbeit ordnete im Jahr 2011 über 160.000 Erwerbstätige dem publizistischen/journalistischen Berufsfeld zu. Davon waren 68.300 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 68.000 als freie Mitarbeiter aufgeführt. Zudem geht der DJV in einer anderen Statistik von etwa 40.000 freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland aus. In weiteren Quellen wird die Anzahl der freien Journalistinnen und Journalisten auf ungefähr 9.600 beziffert. Darüber hinaus ist der Mediensektor in Deutschland auch als Arbeitgeber für nicht-journalistische Tätigkeiten von Bedeutung. So stieg die Zahl aller Beschäftigten in diesem Bereich laut Datenanalyse des „Media Worker Report“ zwischen 2016 und 2018 um elf Prozent von 497.680 auf 551.799 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Trotz schrumpfender Zeitungsauflagen: Deutschland in führender Position
Die Rolle Deutschlands im Pressewesen ist bestimmend – sowohl aus europäischer als auch internationaler Sicht. Nicht nur, dass Deutschland als größter Zeitungsmarkt in Europa führend ist, sondern auch die Tatsache, dass Deutschland nach China, Indien, Japan und den USA den fünftgrößten Zeitungsmarkt der Welt innehat, zeigt die medienpolitische und strategische Bedeutung unseres Landes in diesem Feld. So weist auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) darauf hin, dass in Deutschland im Jahre 2019 327 Tageszeitungen mit 1.452 lokalen Ausgaben in einer gedruckten Gesamtauflage von 13,5 Millionen Exemplaren erschienen. Im Vergleich zu 2017, wo die Gesamtverbreitung der Printexemplare in Deutschland noch bei 14,7 Millionen lag, hat der Druck in nur zwei Jahren über eine Million an Auflage eingebüßt. Im Jahr 2000 lag die Gesamtauflage der deutschen Tageszeitungen noch bei 23,9 Millionen. In nicht einmal zwanzig Jahren ist die Auflage um über zehn Millionen Exemplare gesunken. Die Hauptgründe für diesen Rückgang können in großem Maße auf den Transformationsprozess der Medien- und Technologieverfahren, die Veränderung der Lesegewohnheiten und die Digitalisierung zurückgeführt werden.
Des Weiteren verweist der BDZV darauf, dass in Deutschland 17 Wochenzeitungen mit 1,61 Millionen Exemplaren und sechs Sonntagszeitungen mit einer Auflage von 1,74 Millionen existieren. Das bedeutet: Auf je 1.000 Einwohner über 14 Jahre kommen in Deutschland 198 Zeitungsexemplare. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch, dass die deutschen Zeitungen täglich etwa 66 Millionen Menschen beziehungsweise drei Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung erreichen.
Mäzene und Oligarchen: Unternehmenskonglomerate in Familienhänden
Aufgrund der genannten Transformation investieren die Medienhäuser und Verlage, die sich meistens nach wie vor in Familienbesitz befinden, in neue Geschäftsfelder, Mediensegmente und Mischformen. Dazu gehören etwa Cross- und Multimedia, Software-Entwicklung, Telekommunikation oder Logistik. Zudem dringen die Firmen auch verstärkt in Bereiche wie Datensammlung, Dienstleistung und Bildung vor. Durch Beteiligungen oder Übernahmen werden diese Familien und Mäzene auch in anderen Unternehmensfeldern aktiv. Ein gutes Beispiel ist hierfür das Unternehmenskonglomerat Bertelsmann SE & Co. KGaA, eines der größten Medienunternehmen der Welt, das sich seit seiner Gründung 1835 im Besitz und unter strenger Kontrolle der Familie Mohn aus der westfälischen Kreisstadt Gütersloh befindet. Aus über 1200 Einzelfirmen bestehend und mit weltweit über 115.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist Bertelsmann die größte Medienholding Europas. Aber auch andere Oligarchen, Familien und Patriarch*innen wie Friede Springer und Mathias Döpfner (Axel Springer), Familie Bauer (Bauer Media), Hubert Burda (Burda Media), Stefan von Holtzbrink und Monika Schoeller (Holtzbrink Verlag), Familie Madsack (Madsack Verlag), Familie DuMont (M. DuMont Schauberg) und viele weitere Namen zählen zum Kreis bedeutenderAkteure der deutschen Medienunternehmen.
8,1 Milliarden Euro Rundfunkbeiträge
Nachdem die Sonderstellung des deutschen Rundfunksystems in der Studie beleuchtet wird, widmet sich die Untersuchung in einem weiteren Kapitel dem Thema der Online- und Internetmedien. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland beispielsweise 8,1 Milliarden Euro an Rundfunkbeiträgen eingezogen. Zum Vergleich: 2005 hatte der Gesamtertrag noch bei 7,1 Milliarden Euro gelegen. Die unter vielerlei Diskussionen durchgesetzte Gebührenreform für eine sogenannte Haushaltsabgabe scheint somit ihre Wirkung erreicht zu haben. Der Anteil der Internetnutzerinnen und -nutzer ab 14 Jahren stieg im Jahr 2019 weiter an. Dieser liegt nun bei 86 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Zehn Jahre zuvor belief sich der Anteil der Onliner noch auf rund 69 Prozent. Unter den 14- bis 49-jährigen Deutschen zählen mittlerweile nahezu 100 Prozent zu Internet-Usern.
Industrie 4.0: Digitalisierung revolutioniert Medien
Die Digitalisierung – als sogenannte vierte industrielle Revolution – führt zu gravierenden Veränderungen in der Medienwelt und der Massenkommunikation. Ein wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, dass Medien neben der Legislative, Exekutive und Judikative in demokratisch verfassten Staaten als vierte Gewalt gelten.
Die Corona-Pandemie wird hier aller Voraussicht nach wie ein Katalysator wirken und die Digitalisierung – und zwar nicht nur die der Medien – in Deutschland und überall auf der Welt beschleunigen.