Demonstration gegen Rechts vor dem Roten Rathaus. 17.01.2024, Berlin. / Photo: DPA (dpa)
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Das Düsseldorfer Forum

Vor wenigen Tagen veröffentlichte die 2014 gegründete gemeinnützige und unabhängige investigative Rechercheplattform CORRECTIV einen Artikel mit dem Titel ‚Geheimplan gegen Deutschland‘. Ein Treffen von politisch weit rechts-außen stehenden Führungskräften aus Deutschland und Österreich traf sich, um einen Plan zur Ausweisung von Millionen von Menschen aus Deutschland zu planen. Dieser Plan der euphemistisch ‚Remigration‘ genannt wird, ist im Wesentlichen eine Antwort auf das alte rechte Verschwörungskonzept der ‚Umvolkung‘, wie es in den 1990er Jahren hieß und heute als ‚Bevölkerungsaustausch‘ bekannt ist. Es gehe darum, die „ethnokulturellen Identität und Substanz“ – oder mit anderen Worten die rassische Reinheit weißer europäischer Identität – zu bewahren.

Das Treffen war ein Stelldichein der rechten Szene, von hochrangigen AfD Funktionären bis hin zu Neonazis, Adeligen und Mitglieder der Werteunion. Von der CORRECTIV-Redaktion als besonders brisant wurde das Treffen im Hinblick auf mögliche Verbotsverfahren der AfD in Deutschland gewertet. Und auch der Einladungsbrief des Gernot Mörig wurde entsprechend skandalisiert. Darin war die Rede von einem „Gesamtkonzept, im Sinne eines Masterplans“ der „Remigration“, der von einer Leitperson der Identitären Bewegung, dem aus Österreich stammenden Martin Sellner, vorgestellt werde.

In dem Treffen, das als Düsseldorfer Forum benannt wurde, sollte erörtert werden, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“. Einer der als Hauptredner angekündigte Martin Sellner schlug vor, Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht, sowie „nicht assimilierte Staatsbürger“ aus dem Land zu bringen. Insbesondere die nicht assimilierten Staatsbürger stellten für Sellner das größte „Problem“ dar. Da dieser Plan nur über Jahrzehnte umgesetzt werden könnte, da er der geltenden Gesetzeslage widerspricht, soll zur Methode ein „hoher Anpassungsdruck“ auf die Menschen ausgeübt werden.

Nächste Schritte

Mörig stellt die Gründung eines Expertengremiums mit dem ehemaligen Verfassungsschutz-Direktor Hans-Georg Maaßen als Mitglied vor, um diesen Plan aus „ethischen, juristischen und logistischen Gesichtspunkten“ zu erarbeiten. Die AfD etwa argumentiere nicht mehr gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, da man bei der Abnahme der deutschen Staatsbürgerschaft immer noch eine übrig habe, womit eine Abschiebung erleichtert werde. Eine „Vertreibung der Menschen mit Migrationshintergrund, auch deutscher Staatsbürger“ mit legalen Mittlen also, wie CORRECTIV es nennt.

Für Menschen, die sich mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen kommt dies wenig überraschend. Noch weniger verwunderlich ist es für all jene, die, wie der Politikwissenschaftler Herbert Auinger in seinem Buch Haider — Nachrede auf einen bürgerlichen Politiker festgestellt hat, den Rechtspopulismus nicht als eine Anomalie deuten, sondern als ein Produkt westlicher Gesellschaft, und damit als eine bürgerliche Normalität in einem sich ständig beschleunigenden Kapitalismus verstehen.

Wenn die Funktionäre der Neuen Rechte hier den Gedanken der massenhaften Remigration von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft fassen, dann kann dies nicht abgekoppelt von bereits existierenden vorherrschenden Meinungen und Praktiken betrachtet werden. Wir erinnern uns alle noch gut an das Spiegel-Cover mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz, das ihn mit seiner Aussage „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ zierte. Wenn Sellner im Düsseldorfer Forum darüber spricht, „metapolitische, vorpolitische Macht“ aufzubauen, um „das Meinungsklima zu ändern“, dann muss er wahrscheinlich gar nicht mehr so weit gehen, wie er befürchtet. In vielerlei Hinsicht ist die Unterteilung in erwünschte und unerwünschte Einwohner bereits Teil des bürgerlichen Konsenses. Egal ob es sich um den Bundeskanzler oder den FDP-Chef Christian Lindner handelt, der pauschal meinte: „Alle Flüchtlinge müssen zurück“. Der Ruf nach Abschiebungen tönt immer lauter. Auch wenn sie noch nicht so weit gehen wie das Düsseldorfer Forum oder die AfD es sich wünschen. Die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel fordert bereits unverblümt „eine Senkung der Hürden zum Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft auf den Weg zu bringen“.

Fokus Muslime

Wir alle wissen auch, welche Gruppen an Menschen gemeint sind, wenn von einem „hohen Anpassungsdruck“ die Rede ist. Die AfD macht es in ihrer Bebilderung zu Remigration ganz klar: Muslime. Denn es sind Muslime, die als nicht-integrierbar wahrgenommen werden und gegenüber welchen ein „Anpassungsdruck“ vor diesem Hintergrund überhaupt erst Sinn machen würde. Blicken wir auf das Schicksal mancher weniger Muslime in Deutschland, vor allem jener, die in der Selbstorganisation abseits des Staates tätig sind, so sehen wir, dass die Praxis des Entzuges der Staatsbürgerschaft bereits erprobt wurde. Das hängt insbesondere mit der Politik des Verfassungsschutzes zusammen, jener Einrichtung, die von 2008 bis 2018 von genau jenem Maaßen geführt wurde, der als Mitglied eines Expertengremiums zur Umsetzung dieses Planes im Forum Düsseldorf erwähnt wird und der gerade dabei zu sein scheint, die Werteunion als eigenständige neue rechte Partei zu etablieren.

Gedankliche und praktische Vorarbeit

Die politische Praxis des Verfassungsschutzes sieht so aus, dass mit der Listung von muslimischen Vereinigungen ihre organschaftlichen Vertreter, Mitglieder und manchmal auch Moscheebesucher in prekäre Positionen gedrängt wurden. Diese Listen kommen bei der Erteilung der Staatsbürgerschaft im Rahmen der Anhörung bereits zum Einsatz. In wenigen Fällen kam es auch zu Staatsbürgerschaftsentzug. Dieser wird aber aufgrund der Kriminalisierung und Marginalisierung dieser Stimmen so gut wie kaum wahrgenommen in der breiten Gesellschaft.

Zudem haben insbesondere Gesetzesveränderungen im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts an der Schnittstelle zur Materie des ‚Terrorismus‘, wie die beiden Rechtswissenschafter Klaus Ferdinand Gärditz und Astrid Wallrabenstein problematisierten, die formale Staatsangehörigkeit als „Rückgrat demokratischer Kontinuität … zunehmend aus tagespolitischem Opportunismus in Frage gestellt … Billige Schaufensterpolitik nimmt hier die Staatsangehörigkeit in Geiselhaft.“ Im Zusammenhang mit der Ausweitung des Terrorismusbegriffs und des Extremismus-Jargons, wie in den letzten Monaten am Beispiel von Demonstrationen sichtbar wurde, kann das Staatsbürgerschaftsrecht leichter ausgehöhlt werden.

Die Vordenker oder Planer der Neuen Rechten brauchen damit gar nicht so weit vordenken, sondern vielmehr bereits Angedachtes sowie im politischen Klima bereits weithin akzeptierte Vorstellungen der Aushöhlung des Staatsbürgerschaftsrechtes weiter forcieren, um ihre Ausweisungspolitikvorstellungen weiter zu verbreiten. Die eigentliche Frage, die sich all jene stellen müssten, die lautstark gegen die Ideen, die im Düsseldorfer Forum geteilt wurden, stellen, ist eine ganz andere: Welche Fehlentwicklungen im Staatsbürgerschaftsrecht und Migrationsrecht an der Schnittstelle zur Sicherheitspolitik sollten reformiert werden, um sich diesen öffentlich gewordenen Tendenzen entgegenzustellen.

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