Die Abwägung von Freiheit und Sicherheit, eines der wichtigsten Dilemmata unserer Zeit, tritt immer dann in den Vordergrund, wenn die übermäßige Einschränkung von Freiheiten begründet werden soll. Freiheit, die eigentlich den Weg für politische und gesellschaftliche Teilhabe unterschiedlichster Ideen und Gedanken ebnet, ist auch für die Medien von entscheidender Bedeutung. So gesehen ist es die Pressefreiheit als privilegierter Bereich innerhalb der Meinungsfreiheit, die es auch Einzelpersonen ermöglicht, ihre Gedanken in einem institutionellen Rahmen zu äußern. In diesem Sinne ist es sehr wichtig, den Medien einen von Druck und Repressalien freien Rahmen zu gewährleisten. Allerdings steht die Pressefreiheit, als solche manifestiert durch internationale Konventionen und Abkommen, immer wieder mit der Begründung zur Debatte, dass sie durch diverse Restriktionen verletzt wird.
Einschränkungen der Medien im Konflikt zwischen Russland und dem Westen
Zweifellos beruhen die jüngsten Debatten um die Pressefreiheit auf dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen. Im bilateralen Verhältnis kommt es zu wachsenden Spannungen und sich stetig verschlechternden Beziehungen, u.a. wegen des drohenden Kriegs mit der Ukraine und der vom Westen als Erpressungsversuch empfundenen Präsenz von Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze. Auch wird im Westen der Vorwurf, Russland nutze seine Medien aktiv im Rahmen eines nach dem Kalten Krieg entwickelten Konzepts hybrider Kriegsführung, als wichtiges Problem angesehen. Aktuelle Maßnahmen die sich in Form von Interventionen im Medienbereich zeigen, vertiefen die derzeitige Krise, statt sie zu lösen.
Mit dem in den 2000er Jahren gegründeten mehrsprachigen Sender Russia Today (RT) wollte Russland bekanntlich vor allem in Europa Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen. Aus diesem Grund wird die sich in jüngster Zeit verschärfende Haltung des Westens gegenüber russischen Medien als ausgrenzend und schikanierend kritisiert. So sind von Russland unterstützte Medienorgane, die sowohl in westlichen Staaten als auch in anderen Teilen der Welt existieren, ernsthaftem Druck ausgesetzt. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung der deutschen Medienaufsichtsbehörde ZAK, die Ausstrahlung des Senders RT aufgrund der als ungültig erachteten Sendelizenz einzustellen.
Betrachtet man die Etappen vor der Entscheidung, so zeigt sich, dass die an Deutschland von russischer Seite geäußerte Kritik ihre juristische Berechtigung hat. Tatsächlich wurden die Anstrengungen von RT, einen deutschsprachigen Kanal zu eröffnen, schon seit März 2021 mit bürokratischen Hindernissen torpediert, und die zuständige Regulierungsbehörde erteilte RT am Ende keine Sendelizenz. Um diese Situation zu überwinden, erhielt RT unter Anwendung des gemeinsamen Rechtsverfahrens innerhalb Europas eine Sendelizenz von Serbien, bekanntermaßen ebenfalls ein europäisches Land, und erlangte damit eigentlich auch den Status eines Rundfunksenders in Deutschland. Doch kurz nachdem RT seine Sendelizenz aus Serbien erhalten hatte, verkündete die zuständige ZAK, der Sendedienst über Satellit sei sofort einzustellen, und RT wurde aus dem europäischen Satellitensystem entfernt. Die Bekräftigung der RT-Verantwortlichen Margarita Simonyan, ihre Sendungen dennoch fortzusetzen, sind ein klares Indiz dafür, dass der Bruch in den bilateralen Beziehungen derzeit wohl nicht mit Diplomatie gelöst werden kann. Bei seinem Treffen mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock im Januar verkündete ihr russischer Amtskollege Sergej Lawrow, möglicher Druck auf RT könne ähnliche Folgen für deutsche Medien haben, die in Russland senden. Deutsche Medien erwarteten allem Anschein nach in naher Zukunft schwierige Zeiten in Russland, und tatsächlich wurden unmittelbar nach der Entscheidung zu RT die Aktivitäten der Deutschen Welle in Russland als Vergeltungsmaßnahme für beendet erklärt. Die sofortige Aufhebung der Akkreditierung von Mitarbeitern des Russlandbüros der Deutschen Welle zeigt auch deutlich, dass die derzeit als frostig geltenden Beziehungen zwischen Deutschland und Russland auch medial in eine neue Phase übergegangen sind.
Wachsende Spannungen zwischen Russland und dem Westen durch Medienanstalten
Die Medien spielen in den zuletzt erheblich angespannten Beziehungen zwischen dem Westen und Russland eine wichtige Rolle. Als Gründe für die zunehmend kritische Haltung des Westens gegenüber Russland werden, wie wir uns erinnern, immer wieder Vorwürfe aufgeführt, Russlands Medienanstalten betrieben Propaganda für den Kreml und sogar eine Politik der Desinformation, um Einfluss auf die westliche Politik zu nehmen. In diesem Zusammenhang sperrte Youtube im September zwei deutschsprachige Kanäle von RT wegen ihres als „desinformativ“ eingestuften Inhalts. In ähnlicher Weise entzog Großbritannien wegen seiner Einstellung zum Kreml RT die Sendelizenz. Das Verbot von RT durch die ehemaligen Sowjetstaaten Litauen und Lettland zeigt, dass sich die Ablehnung gegenüber Russland in Europa insbesondere auch auf der Medienebene ausweitet. Dass diese von Russland als Zensur bezeichneten Entscheidungen eher als Informationskrieg denn als Verletzung der Pressefreiheit diskutiert werden, verdeutlicht die immer aggressivere Politik der Staaten in diesem Bereich. Die Ausweitung dieser aggressiven Politik auch durch Deutschland bereitet anderen Staaten und privaten Rundfunkanstalten hinsichtlich der Pressefreiheit Unbehagen. Tatsächlich führt die in letzter Zeit zunehmende Fremdenfeindlichkeit ebenso zu Übergriffen auf ausländische Medienorgane, und es werden die Grenzen der Toleranz gegenüber Unterschieden quasi über die Presse eingeengt. Die Möglichkeit, dass je nach Stand der bilateralen Beziehungen Einschränkungen der Pressefreiheit in naher Zukunft ebenfalls auf andere Länder übergreifen könnten, wird zweifellos die Bilanz Deutschlands in Bezug auf die Pressefreiheit trüben.