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In den vergangenen Tagen wurde bekannt, wer die Übergangsregierung, die das Land bis zu den Parlamentswahlen am 24. Dezember 2021 führen soll, stellen wird. Das Forum für den politischen Dialog in Libyen (LSDF), das bereits seit dem 1. Februar den Wahlprozess von Genf aus leitet, hatte Muhammed Menfi zum Präsidenten des Präsidialamtes und Abdulhamid Dibeybe zum Ministerpräsidenten der Übergangsregierung bis zu den Wahlen bestimmt.

Seit 2014 ist Libyen de facto zweigeteilt. Im Osten, einschließlich der Städte Bengasi und Tobruk, existiert eine separate Verwaltung mit einem eigenen Parlament unter Führung von Halifa Haftar, der von illegalen, bewaffneten Gruppen unterstützt wird. Im Westen Libyens regiert weiterhin die von den Vereinten Nationen anerkannte Nationale Einheitsregierung (UMH) unter Fayez el Sarrac. In Anbetracht dieser Ausgangslage kann die Ernennung einer neuen Übergangsregierung die de-facto-Teilung des Landes aufheben und somit als wichtiger Meilenstein in Richtung Stabilität betrachtet werden.

Um dem Kriegstreiben ein Ende zu setzen und eine neue politische Ordnung im Land zu etablieren, wurde unter Federführung der Vereinten Nationen ein Abkommen für einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen der libyschen Regierung und der Delegation von Haftar als Ergebnis des 5+5 gemeinsamen Militärausschusses bei seiner Sitzung vom 19.-23. Oktober vergangenen Jahres im schweizerischen Genf unterzeichnet.

Die Rolle ausländischer Mächte in der Libyenkrise

Die reichen Energieressourcen Libyens und seine strategische Lage auf dem afrikanischen Kontinent führen dazu, dass sich viele internationale und regionale Mächte Stellvertreterkämpfe um die Vorherrschaft in Libyen liefern. Die Entwicklungen in Libyen belasten nicht nur die Länder in der Region, sondern gefährden auch die Stabilität Europas. Libyen nimmt aufgrund der geostrategischen Rivalitäten im Mittelmeerraum in letzter Zeit einen zunehmend wichtigen Platz in der Weltpolitik ein. Auch deshalb spielen diese ausländischen Mächte eine große Rolle bei der Ausweitung und Verlängerung des Bürgerkriegs in Libyen.

Die Regierung der Nationalen Einheit mit Sitz in Tripolis wird von den Vereinten Nationen, der Türkei, der EU und internationalen Institutionen als legitimer Ansprechpartner gesehen. Obwohl die Nationale Einheitsregierung von der internationalen Gemeinschaft als „legitime“ Regierung anerkannt wird, unterstützen Staaten wie Russland, Ägypten, Frankreich, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien die von Haftar geführte Regierung in Tobruk, die diese Einheitsregierung bekämpft.

Die europäischen Staaten haben ebenfalls keine einheitliche Position zu Libyen. Frankreich steht gemeinsam mit Russland auf der Seite von Haftar. Trotz der kritischen Haltung der EU hat Paris enge Beziehungen zu Haftar aufgebaut, was insbesondere den Einfluss der EU auf Libyen in letzter Zeit geschwächt hat.

Frankreich hat in Libyen vielfältige strategische, geopolitische und ideologische Interessen. Die größte Motivation für die Intervention Frankreichs in Libyen ist der Schutz der eigenen wirtschaftlichen Interessen sowie das Bestreben, den französischen Einfluss in Nordafrika zu stärken. Eine wichtige Rolle bei Frankreichs Entscheidungsprozessen in der Region spielen auch die eigenen Sicherheitserwägungen.

Als Gaddafi noch an der Macht war, produzierte Libyen täglich etwa 1,6 Millionen Barrel Rohöl und exportierte es hauptsächlich nach Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland. Öl kann in Libyen kostengünstig gefördert werden, und der Transport nach Europa ist vergleichsweise einfach. Deshalb versucht die Regierung in Paris ihre wirtschaftlichen Interessen zu sichern, indem sie dem französischen Ölgiganten Total den Weg ebnet.

Russland hingegen strebt speziell in Libyen nach wirtschaftlicher, militärischer und politischer Einflussnahme. Insbesondere die von der Administration Trump verantwortete US-Politik, die Libyen unter Sicherheitsaspekten als einen Problemfall der EU betrachtete, war der Grund dafür, weshalb Moskau in dieser Periode zu einem zunehmend wichtigen Akteur in Libyen wurde.

Unter Putin hat Russland sein Interesse am Nahen Osten und an Nordafrika erhöht. Entsprechend bemüht es sich, das im östlichen Mittelmeerraum aufgrund des schwindenden Einflusses westlicher Staaten entstandene Machtvakuum auszufüllen, und versucht gar, diese Region unter seine Kontrolle zu bringen. Dabei erstreckt sich das Interesse Russlands von der Kontrolle strategischer Wasserstraßen im östlichen Mittelmeerraum bis hin zur Errichtung von Militärstützpunkten in Libyen. In diesem Zusammenhang hat sich die 2015 begonnene Beziehung zwischen Haftar und Russland in den Jahren 2017 und 2018 intensiviert, und im September 2019 reisten zwei- bis dreitausend russische Söldner der Gruppe Wagner mit militärischer Ausrüstung und strategischen Luftwaffenabwehrsystemen für die Haftar-Milizen im Gepäck in das Land ein. Damit gelang es Russland, ein wichtiger Akteur in Libyen zu werden.

Im April 2019 griffen Haftars Milizen die Stadt Tripolis an, während zeitgleich UN-Generalsekretär Antonio Guterres im Rahmen seiner Bemühungen um eine „politische Lösung“ in Bengasi den Putschisten Haftar traf. Der Einfall der Haftar-Milizen von der östlichen Seite der Stadt Tripolis wurde quasi direkt von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Frankreich und Ägypten unterstützt, hinzu kamen neben den Wagner-Söldnern auch solche aus dem Sudan, Syrien und dem Tschad hinzu.

Als Reaktion auf die Angriffe der Mitstreiter von Haftar forderte die Einheitsregierung in Tripolis militärische Unterstützung von den USA, Großbritannien, Italien, Algerien und der Türkei an. Einzig die Türkei reagierte darauf mit einer Zusage mit praktisch greifbaren Ergebnissen. So unterzeichneten die Türkei und die durch die UN anerkannte Nationale Einheitsregierung eine Vereinbarung über militärische Zusammenarbeit. Mit dieser militärischen Zusammenarbeit und dem dadurch ermöglichten Einsatz türkischer bewaffneter Drohnen einerseits sowie modernster Luftabwehrsysteme andererseits wurden die Machtverhältnisse in Libyen neu geordnet.

Mit der überlebenswichtigen Hilfe der Türkei konnten die Nationale Einheitsregierung und ihre Verbündeten die Haftar-Milizen dauerhaft zurückdrängen und schließlich den westlichen Teil Libyens von den Milizen befreien.

Die militärische Intervention der Türkei spielte somit für die Stärkung des zivilen und demokratischen Staates in Tripolis, und also auch für die legitime Regierung, eine entscheidende Rolle.

Berliner Libyen-Konferenz

Berlin war im Januar 2020 Gastgeber der Libyen-Konferenz. Die am libyschen Konflikt beteiligten Parteien versprachen die Unterstützung eines Waffenstillstands, die Einhaltung des Waffenembargos und darüber hinaus sollten sie sich nicht in die Innenpolitik Libyens einmischen. Nur wenige Tage nach der Konferenz wurde das Abkommen leider von Russland und den Vereinigten Arabischen Emirate gebrochen, da sie ihre Unterstützung für Haftar fortsetzten.

Die wichtigste Errungenschaft der Konferenz von Berlin war nichtsdestotrotz die Veröffentlichung einer Abschlusserklärung mit 55 Punkten und die vollständige Unterstützung der Bemühungen der Vereinten Nationen in Bezug auf Libyen. Darüber hinaus wurden für den „5+5 gemeinsamen Militärausschuss“ Namen vorgeschlagen und der Grundstein für das aktuell geltende Waffenstillstandsabkommen in Berlin unter deutscher Federführung gelegt.

Mögliche Gefahren vor den Wahlen am 24. Dezember

Wenn im Dezember dieses Jahres wie geplant Parlamentswahlen stattfinden können, wird das eine sehr wichtige Entwicklung für die Stabilisierung Libyens sein. Vor allem bei Betrachtung der lokalen und internationalen Akteure, die diesen Prozess negativ beeinflussen wollen, ist selbst der derzeitige Waffenstillstand ohnehin sehr brüchig.

So muss beispielsweise das Repräsentantenhaus im Tobruk (HoR) innerhalb von drei Wochen der nun neugebildeten Regierung ihr Vertrauensvotum aussprechen. Andernfalls würde diese Entscheidung an die Mitglieder des libyschen Forums für politischen Dialog (LPDF) übergehen, das sich aus 74 Delegierten zusammensetzt.

Die Tatsache, dass nicht das libysche Parlament, das ohnehin seit 2015 gespalten ist und seitdem keine einzige offizielle Sitzung mehr abgehalten hat, sondern das LPDF vermutlich diese Entscheidung treffen soll, ist kein gutes Zeichen für einen reibungslosen Übergang.

Eine große Bedrohung für die Sicherheit des Landes stellen nach wie vor die Söldner dar. Eigentlich sollten diese gemäß dem unter der Federführung der Vereinten Nationen zustande gekommenen und von den Kriegsparteien am 23. Oktober 2020 in Genf unterschriebenen Waffenstillstandsabkommen innerhalb von drei Monaten das Land verlassen. Doch obwohl die Frist abgelaufen ist, haben sie das Land noch immer nicht verlassen.

Auch wenn Haftar seit April 2019 geschwächt ist, spielt er mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate und Russland noch immer eine wichtige Rolle im Osten Libyens. Falls in der neuen Regierung niemand vertreten sein sollte, der ihm nahe steht oder ihm finanzielle Vorteile verspricht, wird er neue Angriffe planen, um die Friedensgespräche zu sabotieren und die Wahlen zu verhindern.

Die neugebildete Regierung kann für die nahe Zukunft Libyens ein Hoffnungsträger sein, um den Weg für einen demokratischen und friedlichen Machtwechsel zu ebnen. Doch bis zu den Wahlen im Dezember ist es noch ein langer Weg. Genau deshalb ist es jetzt wichtig, dass internationale Akteure ihre Unterstützung für die Bemühungen der Vereinten Nationen verstärken, damit die Parlamentswahlen zum geplanten Zeitpunkt unter sicheren Voraussetzungen stattfinden können. Ohne die aufrichtigen Bemühungen der internationalen und regionalen Akteure, die in der Libyenkrise involviert sind, wird es keinen politischen Friedensprozess geben. Aus diesem Grund müssen sowohl lokale Akteure in Libyen als auch ausländische Mächte eine konstruktive Haltung gegenüber dem laufenden Friedensprozess einnehmen. Akteure, die diesen Prozess auf negative Weise versuchen zu untergraben, sollten von der internationalen Gemeinschaft abgestraft werden, da sonst dauerhafter Frieden und Stabilität im Land in weite Ferne rücken.

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