Israel hat eine 65 Kilometer lange Mauer fertiggestellt (AA)
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Am 8. Dezember 2021 verkündete Israels Verteidigungsminister Benny Gantz den Abschluss des Baus einer „Eisernen Mauer“, die sich über 65 Kilometer um den Gazastreifen erstreckt und ihn aus allen Richtungen umschließt. Überraschend kommt dies nicht. Denn Israels gesamte Besatzungspolitik zielt darauf ab, Palästinenser mit Zäunen, Mauern und Kontrollpunkten einzusperren und ihr Recht auf Freizügigkeit einzuschränken.

Deutlich wird dies in Ortschaften wie Lod und Ramla, wo Palästinenser in sogenannten vernetzten Gemeinschaften eingepfercht werden, die Ghettos ähneln und gleichzeitig Flüchtlinge und Binnenvertriebene daran hindern sollen, in ihre Städte und Dörfer zurückzukehren, die nur wenige Kilometer entfernt liegen, um sie schlussendlich im Gazastreifen beziehungsweise im Westjordanland zu halten.

Gaza war dazu gedacht, Flüchtlinge aufzunehmen

Der Gazastreifen war darauf angelegt, Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen.1948 wurden diese mit vorgehaltener Waffe aus ihren Städten vertrieben, wie auch meine Großeltern, die wie viele andere als Flüchtlinge in Gaza landeten. Die Bevölkerung des Gazastreifens erhöhte sich damals innerhalb weniger Wochen dramatisch von 100.000 auf über 300.000. Der Bevölkerungsanstieg setzte sich im Laufe der Jahre fort, und auch wenn die sechsmonatige Besetzung des Gazastreifens durch Israel 1956 und die vollständige Besetzung der Küstenenklave ab 1967 zur Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen in die Nachbarländer führte, wuchs die Bevölkerung der Küstenenklave weiter an.

Nach Ausrufung des Staates Israel wurden zahlreiche palästinensische Vertriebene beim Versuch, in ihre Dörfer auf dem heutigen Staatsgebiet Israels zurückzukehren, erschossen. So verübte die israelische Armee im Gazastreifen am 12. November 1956 in Khan Younis Massaker an der palästinensischen Bevölkerung, bei denen 250 Menschen aus nächster Nähe exekutiert wurden.

Bedrohungen

Israel hat die palästinensischen Flüchtlinge immer als Bedrohung angesehen, mit der man sich auseinandersetzen müsse. Der rechtsextreme israelische politische Kommentator Itamar Fleischmann drückte es kürzlich in einem Interview mit Channel 14 wie folgt aus: „Die Araber haben die Nakba vergessen, und es ist an der Zeit, sie daran zu erinnern ... Wenn sie so weitermachen, werden sie in Lastwagen landen, die nach Jordanien oder ins Jarmuk-Lager geschickt werden.“

Die palästinensische Nakba dauert noch immer an. Sie geht Tag für Tag weiter, etwa in Sheikh Jarrah in Jerusalem, wo rechtsextreme Mobs „Tod den Arabern“ skandieren und Palästinenser an Kontrollpunkten erschossen werden. Oder mit der Belagerung des Gazastreifens, dessen Einwohnerzahl von ehemals 100.000 vor 1948 auf 300.000 nach 1948 und heute fast 2,25 Millionen Palästinenser hochgeschnellt ist, davon 80 Prozent Flüchtlinge.

Dabei weigert sich Israel entgegen der Festlegungen des Waffenstillstandsabkommens von 1948 nicht nur, Teile des besetzten Gazastreifens an die Palästinenser zurückzugeben, die dringend auf Land angewiesen waren, da sich ihre Zahl nach der Nakba fast verdoppelt hatte, sondern verleibte sich 1949 einen weiteren, 150 km langen Küstenstreifen ein, der einfach in eine entmilitarisierte Zone umgewandelt wurde.

Eine weitere Wand

Als die Palästinenser in der Küstenenklave beschlossen, Maßnahmen zu ergreifen und im Einklang mit der Resolution 194 der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Form eines Großen Marsches ihre Rückkehr in ihre Dörfer im heutigen Israel zu erzwingen, erschossen israelische Scharfschützen Hunderte von ihnen und verstümmelten Tausende. Einzig die COVID-19-Pandemie stoppte die Grenzproteste, wobei Israel sich beharrlich weigert, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen, von denen die wichtigste darin besteht, die 14 Jahre währende Blockade des Gazastreifens aufzuheben.

Nun brüstet sich Israel mit seiner neuen Mauer, die um Gaza herum gebaut wurde. Sie ist mit Sensoren, einem Zaun, einer Seebarriere, Kommando- und Kontrolleinheiten sowie Radarsystemen ausgestattet. Für ihre Fertigstellung verbaute Israel etwa 220.000 Lastwagenladungen Beton und 140.000 Tonnen Stahl.

Die Gesamtkosten der Gaza-Mauer inklusive einem sechs Meter hohen Zaun belaufen sich auf 3,5 Milliarden Schekel, was einem Meterpreis von 55 Millionen Schekel entspricht. Israelische Quellen geben, an, die verbaute Menge an Zement und Stahl reiche aus, um eine Autobahn von Israel nach Bulgarien zu bauen. Die jetzt erbaute Gaza-Mauer erinnert an Israels Trennmauer, die im Westjordanland mit der Intention gebaut wurde, weiteres palästinensisches Land in Beschlag zu nehmen.

Angesichts des israelischen Gesetzgebung, die Israel als den Nationalstaat des jüdischen Volkes ansieht und die dort – wie von Human Rights Watch zutreffend beschrieben – in einer de-facto-Apartheid lebenden Palästinenser ignoriert, würde es niemanden überraschen, wenn Israel, wie es schon Trumps sogenannter Friedensplan vorsah, weitere Mauern um palästinensische Gebiete in Israel baut, um weitere 350.000 Palästinenser auf palästinensisches Territorium zu drängen.

Das Schweigen der Welt ermutigt Israel dazu, Palästinensern noch mehr Unrecht widerfahren zu lassen. Die Mauer um Gaza führt den Palästinensern in Gaza ein weiteres Mal vor Augen, dass sie gezwungen sind, auf engstem Raum im größten Freiluftgefängnis der Welt zu leben.

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