Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis und der französische Präsident Emmanuel Macron (AA)
Folgen

Bekannt ist, dass die Türkei bei dem jüngst in Libyen unterzeichneten Abkommen ihre verbrieften Rechte hinsichtlich der Energiebeschaffung im Rahmen ihrer „Mavi Vatan-Strategie“ geltend macht. Infolgedessen führte das ohne Rechtsgrundlage vorangetriebene Bemühen Griechenlands, seine Grenzen im Rahmen des Sevilla-Abkommens auszuweiten, zur Konfrontation türkischer und griechischer Kriegsschiffe. Noch dazu entsandte Frankreich im Rahmen seines Versuchs, eine europäische Armee aufzubauen und so die NATO von innen zu spalten, Kriegsschiffe in die Region, um Griechenland beizustehen.

Griechisch-französisches Abkommen

Die Folgen des Scheiterns in Libyen, der Ehrgeiz, die Energieressourcen zu kontrollieren sowie die revisionistische Agenda Frankreichs unter Macron, mit dem Ziel, Europa aus der NATO herauszulösen, führen dazu, dass aggressive Schritte unternommen werden. Diese erhöhen die Spannungen in der Region erneut, obwohl sich die Lage im östlichen Mittelmeer eigentlich schon angefangen hatte zu entspannen. Die zwischen Frankreich und Griechenland unterzeichnete Sicherheits- und Verteidigungskooperation scheint der jüngste Schritt dieser revisionistischen Agenda zu sein. Darüber hinaus ist das französisch-griechische Abkommen wohl auch eine Art Vergeltung für den zwischen den USA, dem Vereinigten Königreich und Australien unterzeichneten Vertrag. Dabei kommt mit der Ausweitung der vereinbarten Beistandsverpflichtungen auch gegen Bündnispartner der französische Wunsch zum Ausdruck, die NATO zum „Anderen“ zu erklären. Das Abkommen umfasst auch den Kauf von drei Kriegsschiffen der Firma Naval Group, auf die Australien infolge des Engagements im AUKUS-Bündnis nunmehr verzichtet hat.

Frankreich als revisionistischer Akteur

Es ist eine historische Tatsache, dass Frankreich in Bezug auf die NATO als unzuverlässiger Partner gilt. Nachdem sich das Land 1959 zunächst dem militärischen Kommando des Bündnisses entzog, wies es auch nach und nach den NATO-Streitkräften den Weg aus dem Land. Erst mit dem Straßburg-Kehl Gipfel 2009 integrierte sich das bis dahin in Grenzen agierende Frankreich wieder vollständig in die Allianz. Macrons langjähriger Diskurs für den Aufbau einer EU-Armee ist ein weiteres Indiz für seine Unzuverlässigkeit als Bündnispartner. Dabei deckt sich diese Unzuverlässigkeit mit dem Ehrgeiz seiner politischen Führung, an einer revisionistischen Politik festzuhalten.

Griechenland als irrationaler Akteur

Mit Blick auf die griechische Seite kann man ebenfalls nicht behaupten, die Lage sei gut. Zunächst einmal ist nicht abzusehen, ob sich für das Land, das traditionell gute Beziehungen zum Vereinigten Königreich pflegt, mit der Unterzeichnung des Abkommens und der Vertiefung seiner Beziehungen mit dem ewigen Rivalen Frankreich, das derzeit in Bezug auf den Ärmelkanal und der AUKUS-Allianz offene Konflikte mit dem Vereinigten Königreich austrägt, Folgen ergeben werden, da es hier auch um NATO-Bündnispartner geht. Auch steht zu erwarten, dass die Kritik der größten Oppositionspartei SYRIZA an dem Abkommen im griechischen Volk auf Zustimmung stoßen wird. Denn Griechenland, dessen Wirtschaft auch infolge des jahrelangen Rüstungswettlaufs mit der Türkei eingebrochen ist, hat in einer Phase der wirtschaftlichen Erholung ein Abkommen unterzeichnet, das erneut bedeutende Waffenkäufe vorsieht und der Wirtschaft des Landes ernsthafte Probleme bereiten kann.

Darüber hinaus werden die eingeleiteten Schritte Griechenlands, das sich ins Fahrwasser der revisionistischen Politik Frankreichs begeben hat, hinterfragt, da diese auch die Sicherheit der EU gefährden. Ob und zu welchen Bedingungen dann aber die EU erneut Griechenland beistehen wird, wenn das Land wieder an den Rand eines Staatsbankrotts gerät, sei dahingestellt.

In diesem Sinne ist das im Namen Griechenlands mit Frankreich geschlossene Abkommen nicht als Ergebnis einer rationalen Kosten-Nutzen-Rechnung zu sehen, sondern vielmehr als Folge eines einseitigen hysterischen Wettbewerbs mit der Türkei.

Was bedeutet „Europas strategische Autonomie“?

Mitsotakis' Einordnung als „erster Schritt hin zur strategischen Autonomie Europas“ offenbart die revisionistischen Dimensionen des Abkommens. Nicht nur, dass es statt der NATO und der auf Allianzen bauenden EU und der Verortung strategischer Fragen außerhalb des EU-Kontextes als „anarchisch“ wohl dem Wunsch nach einem eher Hobbes’schen Europa entspringt, offenbart es auch das Bemühen, ein wichtiges Zahnrad des nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Weltsystems auszutauschen. Eine Änderung dieses Systems würde unweigerlich das Ende der Kooperation der EU mit Dritten und zum Ausschluss des Atlantischen Bündnisses aus Europa bedeuten. Hierbei ist es nicht die Frage, ob sich Europa verteidigen kann, sondern vor wem es sich verteidigen soll. Die mit dem Label der „Autonomie“ versehene Antwort des französisch-griechischen Blocks lautet dann wohl in Europa nicht mehr wie sonst „vor Russland und Iran“, sondern nunmehr vor den USA, Großbritannien und der Türkei. Es liegt auf der Hand, dass diese Antwort Brüche im internationalen System und darüber hinaus Sicherheitskrisen verursachen wird, die insbesondere die Zukunft Europas gefährden.

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