Dieser Meinungsbeitrag fokussiert auf eben solche Stimmen im Ausland und im Besonderen auf eine Reihe von europäischen Publikationen und Fernsehanstalten, die sich als Sprungbrett für erfundene Nachrichten, einseitige Kommentierung im Sinne von „was immer moderne Türkiye macht, ist sowieso falsch“, und im schlimmsten Falle sogar direkte Hassrede benutzen lassen. Oder zynisch gefragt – sich eventuell wissentlich dafür benutzen lassen?
Von pietätlos über regelrechtes Türkiye-Schlechtreden bis hin zu eindeutiger Hassrede – drei schockierende Beispiele.
„Erst mal mein herzliches Beileid“
Natürlich spricht man angesichts solch menschlichen Leidens und wenn man Angehörige der Opfer persönlich trifft sein aufrichtiges Beileid aus. Die passenden Worte sind schwer zu finden, selbst für erfahrene Berichterstatter.
Großes Aufsehen in der türkischen Gemeinschaft in Deutschland rief ein ARD-Brennpunkt vom 9. Februar 2023 hervor. Schauen wir uns ein Zitat aus Merkur.de (online 21.26 Uhr/Rudolf Ogiermann) an, für alle unserer Leserinnen und Leser, die vielleicht die Sendung verpasst haben: „Korrespondentin Katharina Willinger sprach darin in einer Schalte aus der türkischen Stadt Pazarcik mit Memis Özdan, der, so die Reporterin, aus Deutschland in seine Heimat gereist sei, um zu helfen. „Jetzt kam gerade, eine Minute vorher, die Nachricht, dass Ihre Schwester verstorben ist. Erst mal mein herzliches Beileid“, so Willinger. „Sie haben mir aber auch gesagt, vor der Sendung, dass hier die Hilfe zu spät kam.“ Worauf Özdan in gebrochenem Deutsch von „ganz schlechter Organisation“ sprach.
Interessant, dass also in einem Vorabgespräch die Frage der Organisation von der Reporterin angesprochen wurde; hatte sie genau diese Antwort hören wollen? Selbst wenn man eine vorgefertigte persönliche Meinung mit sich herumträgt, muss man doch im Moment der schrecklichen Nachricht innehalten und seinen Interviewpartner versuchen zu trösten, falls irgend möglich, anstatt ihn auch noch aufzuhetzen!
Wer ist schuld? Keine Sekunde zu zögern…
Nun bietet es sich an, eine andere deutsche Publikation zu zitieren, die sich interessanterweise auf Can Dündar beruft, jemanden, der in Türkiye auf der sogenannten grauen Liste (Unterstützung terroristischer Aktivitäten) geführt wird. Wir finden also auf Tagesspiegel.de mit Untertitel Tagesspiegel Plus, vom 11. Februar 2023, folgenden Beitrag: „Der Präsident, die Türkei und das Erdbeben: Erdoğans Alleinherrschaft ist einsturzgefährdet“ und sodann die erste Zeile: „Der türkische Staatschef hat demokratische Institutionen entmachtet und ein Ein-Mann-Regime errichtet. Das Erdbeben könnte nun auch das Ende des Systems Erdoğan sein.“
Nebenbei bemerkt: Obwohl der Name des Präsidenten korrekt geschrieben wurde, wird offensichtlich der Name des Landes bewusst falsch wiedergegeben, Türkei anstatt Türkiye. Doch der Inhalt des Artikels ist weitaus brisanter: Deutsche Leserinnen und Leser werden irregeführt. Wer hat Schuld am Jahrhunderterdbeben? Der Präsident?
Zum Glück ist die türkische Gemeinde in Deutschland seit langem auf solche Hasstiraden vorbereitet.
Charlie Hebdo: menschenverachtend
Und dann ein Blick nach Frankreich. Kurz nach dem verheerenden Erdbeben am 6. Februar 2023 publizierte Charlie Hebdo unter der Rubrik Zeichnung, oder vielleicht besser übersetzt Cartoon des Tages, mit dem Namen #Juin, ein Abbild einer zerstörten Stadt mit einem umgestürzten Auto wobei rechts oben „Erdbeben in Türkiye“ geschrieben wurde, aber dann unter der Zeichnung „(sie) brauchen nicht einmal Panzer zu schicken.“
Von Bekannten auf diesen sogenannten satirischen Beitrag aufmerksam gemacht, dachte ich zuerst, so etwas kann nicht wahr sein, Falschmeldung. Eine schnelle Recherche ergab jedoch leider das genaue Gegenteil: Die „Karikatur“ war live. Unfassbar – die Untertreibung des Jahrzehntes wäre es, von schlechtem Stil zu sprechen. Diese Zeichnung fällt eindeutig in die Kategorie Hassrede. Und Hassrede sollte eigentlich ein krimineller Tatbestand sein. Die Zeichnung muss als direkter Angriff auf das Land Türkiye und seine Bürgerinnen und Bürger bewertet werden.
Mehrheitsmeinung? Natürlich nicht, aber gefährlich
Wir sprachen eingangs über die immense internationale Solidarität, die Türkiye derzeit erlebt, und das beinhaltet fantastische Hilfeleistungen gerade auch aus Frankreich und Deutschland, den beiden Ländern, die wir hier als Beispiele angeführt haben. Diese Beispiele reflektieren eine absolute Minderheit, die nichts mit der Mehrheit zu tun hat. Selbst wenn man den ARD-Beitrag noch als schlechten Stil abtun könnte, führte die Sendung zu großer Besorgnis in der türkischen Gemeinde, aber auch in Türkiye selbst. So pietätlos geht man doch nicht mit einer befreundeten Nation um!