Palästina-Flagge / Foto: AA (AA)
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Die Entwicklungen nach dem 7. Oktober 2023 haben das Leben der in Deutschland lebenden Muslime entscheidend geprägt. Ihrer Solidarität mit dem palästinensischen Volk angesichts der massiven Angriffe Israels auf Gaza entgegnete der Staat mit Stigmatisierung und Antisemitismus-Vorwürfen.

Friedliche Demonstrationen in Großstädten und an Universitäten wurden durch Polizeigewalt überschattet. Festnahmen, Verbote und Verunglimpfungen begleiten fast jede Palästina-solidarische Kundgebung. Dabei ist das Anliegen der Demonstranten klar: Frieden in Gaza. DITIB und andere muslimische Verbände unterstützen diese Forderung.

Dennoch erscheinen sie in den Medien unter einem fragwürdigen Licht. Diese fast schon feindselige Haltung gegen die Befürworter von Frieden wird begleitet von einem fast einheitlichen Narrativ in den deutschen Medien, das Israel in die Opferrolle steckt. Jede Kritik wird mit dem Hinweis auf die Hamas-Großoperation in israelischen Siedlungen mit beschwichtigenden Worten zur Seite geschoben. Es ist das Narrativ Israels.

Die durch Israel verursachte humanitäre Katastrophe in Gaza rutscht dadurch immer weiter in den Hintergrund. Auch wenn die Hamas nur wenige Tage in den illegalen Siedlungen gewütet hat, wird das vermeintliche Recht auf Selbstverteidigung Israels immer wieder hoch gehalten – als fände ein permanenter Sturm von Hamas-Kämpfern statt. Und gegen selbstgebaute Hamas-Raketen aus der Ferne helfen doch die Abwehrsysteme des Landes. Wieso muss man töten und zerstören? Man hat doch Gaza bereits vor dem Krieg total isoliert und die Menschen damit im Freiluftgefängnis eingesperrt.

Bundesregierung übernimmt Israels Narrativ

Das gleiche Narrativ, das das Recht auf Selbstverteidigung Israels hoch hält, findet man auch in den Aussagen der Bundesregierung. Wenn sie die humanitäre Katastrophe in Gaza kritisiert, geschieht dies stets mit einem Verweis auf die Hamas, die ja letztlich diese Situation verschuldet habe. Wenn Zivilisten sterben, dann natürlich nur, weil sie von der Hamas als Schutzschilde missbraucht werden.

Kritik an Israels Vorgehen? Natürlich müsse sich Israel beim Morden an das Völkerrecht halten. Diese leere Phrase hört man gefühlt aus dem Mund eines jeden Regierungspolitikers. Doch keine harten Worte, keine Androhung von Sanktionen. In der Selbstwahrnehmung ist man aber gerecht und sieht sich als Vermittler zwischen den Palästinensern und Israel – auch wenn die ganze Welt es anders sieht.

Opposition auf dem selben Kurs - mit einer Ausnahme

Dieses Selbstbild wird durch die Haltung der Opposition gestärkt, da kaum eine Partei lautstarke Kritik an diesem Regierungskurs übt. Auch wenn etwa die Linke sich gegen Waffenlieferungen und Krieg positioniert, vernimmt man kaum laute Kritik an dem Kriegskurs der Regierung von Benjamin Netanjahu und der Beihilfe der Ampel. Besser sieht es mit dem BSW aus. Auch wenn es so scheint, als würde der Ukraine-Krieg gewichtiger sein als der Gaza-Krieg, macht die Vorsitzende Sahra Wagenknecht bei ihren TV-Auftritten und Reden auf das durch Israel ausgelöste Leid in Gaza aufmerksam. Man muss daher festhalten, dass das BSW die Heuchelei der deutschen Außenpolitik in Nahost am ehesten entlarvt und zur Sprache bringt.

Diese Doppelmoral der Bundesregierung bleibt gesellschaftlich nicht ohne Folgen. Sie führt zu einer gesellschaftlichen Polarisierung, worunter vor allem Muslime leiden. Denn sie sehen, wie parallel zur Situation in Gaza ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Sogar bei Verwendung von Palästina-solidarischen Slogans und Symbolen ohne direkten Bezug zu Israel kann die Antisemitismuskeule der deutschen Behörden zuschlagen – und etwa die Einbürgerung gefährden, wie neue Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zeigen. Die Grenzen zwischen legitimer Israel-Kritik und echtem Antisemitismus verschwimmen dadurch immer mehr.

Es verwundert also nicht, wenn Betroffene von Diskriminierung sprechen. Doch an wen soll man sich wenden? Verständnis und Empathie einer von Israel maßgeblich beeinflussten Staatsverwaltung wird man kaum finden. Die einzige Instanz, die bleibt, ist die Justiz – oder Teile der Justiz, die ihre Ohren und Augen vor den Ansagen der Politik versperren.

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