Türkische Küstenwachen patrouilliert in der Nähe der Kardak-Inseln (AA)
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Der Disput über den militärischen Status der nördlichen und südlichen Ägäisinseln sorgt immer wieder für Spannungen zwischen Griechenland und der Republik Türkiye. Entgegen den internationalen Verträgen von Lausanne 1923 und Paris 1947 begann Griechenland schon in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts damit, diese Inseln militärisch aufzurüsten. Bereits 1964 und auch danach wies die Republik Türkiye das Nachbarland auf das Verbot der Remilitarisierung dieser Inseln hin und legte diplomatischen Protest ein. Diese Inseln können in drei Gruppen unterteilt werden: Die erste gehört zu den sogenannten der Dardanellen-Meerenge vorgelagerten nordöstlichen Inseln Samothraki (Semadirek) und Limnos (Limni), für die nach dem Meerengenstatut von 1923 ein Militarisierungsverbot gilt.

Vertrag von Montreux sagt nichts über den Status griechischer Inseln

Ferner wurde in Lausanne auch ein Aufrüstungsverbot für die zu Türkiye gehörenden Ägäischen Inseln Gökçeada und Bozcaada sowie die Kanincheninseln im Marmarameer vereinbart, das jedoch mit der 1936 geschlossenen Konvention von Montreux explizit aufgehoben wurde. Aus der Erlaubnis zur Remilitarisierung des Meerengenbereichs zog die griechische Seite die Schlussfolgerung, der Lausanner Vertrag gelte nicht mehr, weil die Konvention von Montreux diesen ersetzt habe. Allerdings ist es nicht nachvollziehbar, wie Athen zu diesem Ergebnis kommt, denn in dem erwähnten Abkommen findet sich nichts über den Status der griechischen Inseln.

Bei der zweiten Inselgruppe geht es um Lesbos (Midilli), Chios (Sakız), Samos (Sisam) und Ikaria (Ahikerya), auf denen nach Artikel 13 des Lausanner Vertrags keine Marinestützpunkte errichtet werden dürfen, wohl aber ein „normales Kontingent zum Militärdienst“ einberufener Soldaten und „Gendarmerie- und Polizeitruppen“ dort seinen Dienst verrichten darf.

Beim dritten und letzten Archipel, um das es geht, sind die Dodekanes (Zwölf Inseln) gemeint, bei dem es u.a. um die Inseln Rhodos (Rodos), Kos (Istanköy), Kalimnos (Kelemez Adası) sowie Kastellorizo (Kızılhisar Adası) geht. In Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags von Paris heißt es: „Diese Inseln sind und bleiben entmilitarisiert.“ Diese Inseln bestehen nicht, wie der Name impliziert, aus zwölf Inseln, sondern aus mehr als 20 Inseln, kleinen Eilanden und Felseninseln. Griechenland argumentiert, die Republik Türkiye sei beim 1947 geschlossenen Vertrag von Paris nicht Vertragspartei gewesen und nur die unterzeichneten Vertragsstaaten („res inter alios acta“) dürften sich zur Thematik äußern. Dies ist nicht plausibel, weil das Osmanische Reich die Inseln im Zuge des Balkankriegs 1912 an Italien abgetreten hatte. Türkiye als Rechtsnachfolger des Osmanischen Reiches hat in der Frage der rechtswidrigen Remilitarisierung dieser Inselgruppe sehr wohl ein Mitspracherecht, da sich diese Inseln vor der türkischen Küste befinden.

Militarisierungsverbot dient Frieden und Stabilität in der Region

Die in den erwähnten internationalen Verträgen enthaltenen Artikel über ein Militarisierungsverbot dieser Inseln dienen zunächst einmal der Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität zwischen beiden Staaten und der Sicherheit der Republik Türkiye, da sich zahlreiche Inseln unmittelbar vor der türkischen Festlandküste befinden. Griechenland hat mit der Unterzeichnung der Konventionen der Bedingung einer Entmilitarisierung der besagten Inseln zugestimmt. Obwohl Athen insgeheim diese Inseln seit Beginn der 60er-Jahre remilitarisiert hat, akzeptierte es bis 1974 das juristische Verbot einer Aufrüstung der Eilande.

Athen versuchte 1974 mit Waffengewalt, Zypern an Griechenland anzuschließen

Nach der türkischen Militärintervention auf Zypern brachte Griechenland das Argument über den Vertrag von Montreux vor, wonach nicht nur die türkischen Inseln vor der Dardanellen-Meerenge militarisiert werden dürften, sondern dies auch für die griechischen Inseln gelte. Wie bereits dargelegt, ist die griechische Entgegnung zum Montreux-Abkommen fragwürdig, weil in diesem Vertrag die griechischen Inseln gar nicht behandelt werden. Darüber hinaus rechtfertigt Griechenland seine Aufrüstung mit der türkischen Intervention auf Zypern, obwohl es das damalige griechische Militärregime war, das durch einen initiierten Militärputsch versuchte, Zypern mit Gewalt an Griechenland anzuschließen und zyperngriechische paramilitärische Gruppen Massaker an der zyperntürkischen Volksgruppe verübten. Um die zyperntürkische Volksgruppe zu schützen und unter Berufung auf das Garantieabkommen von 1960 intervenierte die türkische Armee. Ein weiterer Versuch von Griechenland besteht darin, die Ägäischen Inseln, für die ein Militarisierungsverbot besteht, in das NATO-Verteidigungssystem zu integrieren, um eine Grundlage für die Aufrüstung dieser Inseln zu schaffen.

Aus türkischer Sicht sind die griechischen Argumente unbegründet, da Athen seit Jahrzehnten internationale Verträge ignoriert. Ankara verweist dabei auf Artikel 13 des Lausanner Vertrags und auf Artikel 14 des Pariser Abkommens. In diesen Konventionen sei das Militarisierungsverbot ausdrücklich geregelt. Die Politik der Republik Türkiye richtet sich nicht gegen die Sicherheit der griechischen Inseln. Dies gilt auch für die Aktionen der türkischen Armee an Land und auf See.

Türkische Regierung: Griechenland begeht mit Remilitarisierung der ostägäischen Inseln Vertragsbruch

Die türkische Regierung hat wegen der Remilitarisierung der ostägäischen Inseln durch Athen die Souveränität dieser Inseln infrage gestellt, weil Griechenland Vertragsbruch begangen habe. Sie beruft sich dabei auf Artikel 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention zur Beendigung oder Suspendierung eines Vertrags infolge einer Vertragsverletzung. Wenn eine Vertragspartei eine „erhebliche Verletzung eines zweiseitigen Vertrags“ (material breach) durch die andere Vertragspartei beanstandet, kann die Vertragsverletzung als Begründung zur Beendigung der Konvention oder der vollständigen oder teilweisen Suspendierung führen.

Griechische Souveränität über Inseln unter Vorbehalt eines Aufrüstungsverbots

Griechenland hat mit der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne und dem Pariser Abkommen die Souveränität über diese Inseln unter dem Vorbehalt eines Remilitarisierungsverbots erhalten. Wegen der Militarisierung der ostägäischen Inseln und der Nichteinhaltung der Verträge durch Griechenland hatte der türkische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Feridun Sinirlioğlu, einen Brief an UN-Generalsekretär Antonio Guterres übergeben und darin die rechtswidrige Aufrüstung dieser Inseln als „ernsthafte Gefahr für die Sicherheit der Republik Türkiye“ bezeichnet, die den Frieden und die Sicherheit in der Region bedrohe.

Übereinkunft nur über ernsthaften Dialog zwischen beiden Ländern

Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte unter Hinweis auf die Abkommen von Lausanne und Paris Griechenland aufgefordert, die Remilitarisierung der ostägäischen Inseln zu beenden. Als Antwort auf die Aufforderung des türkischen Präsidenten verwies die griechische Regierung interessanterweise auf internationales Recht, jenes Recht also, das Athen seit Jahrzehnten systematisch ignoriert, nicht umsetzt und damit Vertragsbruch begeht. Die Spannungen zwischen den Nachbarländern können nur über einen ernsthaften Dialog entschärft werden, der jedoch nicht in Brüssel oder Washington entschieden werden sollte, sondern in Ankara und Athen.

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