Semâ-Zeremonie. (TRT Haber)
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In diesem Dezember jährt sich der Todestag von Jalāl ad-Dīn Muhammad Rῡmī zum 748. Mal. Der bekannte Mystiker wurde 1207 in Balch (heute Nordafghanistan) geboren. Sein Vater war ein gelehrter Theologe. Kurz vor dem Mongolenüberfall (1220) floh die Familie aus Balch erst nach Damaskus (dort studierte Rῡmī Theologie) und später nach Zentralanatolien, nahe Konya, der damaligen Hauptstadt des Seldschukenreiches.

Sein Vater wurde in Konya an eine der zahlreichen Medresen berufen, um Theologie zu lehren. Nach dem baldigen Tod des Vaters übernahm Rῡmī seine Position.

Rῡmī – ein Meister der Mystik

Seine ersten Unterweisungen in der islamischen Mystik erhielt er von Burhaneddin Muhaqqiq aus Tirmidh, der wie viele andere vor den Mongolen fliehend nach Konya kam. Sein großer spiritueller Meister jedoch wurde ein paar Jahre später Schamseddin aus Täbriz. Er vernachlässigte seine Lehrtätigkeiten an der Madrasa und gab sich einige Jahre den spirituellen Unterweisungen Schamseddins hin, bis dieser Konya wieder verließ. Nach einem zweiten Wiedersehen verschwand Schamseddin ganz, und Rῡmī sollte ihn nie wieder sehen. Zum Verschwinden Schamseddins werden in den historischen Quellen unterschiedliche Meinungen aufgeführt. Durch die innige spirituelle Bindung zu Schamseddin wurde dieser zum Dichternamen Rῡmīs, so dass er ihn in vielen seiner Gedichte im Schlussvers anstatt des eigenen Namens wie sonst üblich erwähnte.

Nach Schamseddin trat eine weitere wichtige Person in Rῡmīs Leben, die ihm jedoch schon lange vertraut war. Der Goldschmied Salaheddin Zarkub in Konya hatte oft an Rῡmīs Sitzungen mit Schamseddin teilgenommen. Es kam zu einem intensiven spirituellen Austausch der beiden. Mevlana verheiratete seinen geliebten Sohn Sultan Walad mit der Tochter Salaheddins, und somit festigte sich das freundschaftliche Band der beiden Mystiker noch stärker. Nach einer schweren Erkrankung verstarb auch dieser Vertraute Rumis. Als letzte große und wichtige Person in Rumis Leben ist sein Freund und treuer Schüler Celebi Husameddin zu nennen. Auch diesen Konyaer kannte er schon lange und ebenso schon aus der Zeit mit Schamseddin, welcher jenen als fleißigen und asketischen Schüler stets lobte. Letztendlich war es Celebi Husameddin, der seinen Meister in seinem letzten Lebensabschnitt begleitete und die Verse des Mathnawi, die der Mystiker in tiefer Versunkenheit zu Gott von sich gab, niederschrieb und somit verschriftlichte.

Der Mathnawi – ein persisches Lehrstück

Der Mathnawi-yi ma´nawi „Geistige Doppelverse“ gehört wahrscheinlich zu den bekanntesten Lehrgedichten der islamischen Mystik. Er ist in einem einfachen elfsilbigen Metrum geschrieben. In jedem einzelnen Vers sind tiefe mystische Weisheiten verborgen. Dabei macht Rῡmī immer wieder Anspielungen auf den Koran, übernimmt viele prophetische Überlieferungen, verwendet aber auch Heiligenlegenden und türkische, persische und indische Volkssagen. Das Werk ist nicht systematisch aufgebaut, sondern scheint von Thema zu Thema, von Emotion zu Emotion zu springen. Gesellschaftliche, ethische, philosophische und religiöse Themen werden in schönen Parabeln aufgegriffen und bearbeitet.

Das persische Werk besteht aus 6 Bänden und fast 26000 Verse. Es wurde in viele Sprachen übersetzt, und auch viele Erläuterungswerke (Şerh) hierzu wurden verfasst. Darunter befinden sich auch Übersetzungen ins Deutsche und Englische.

Neben diesem gigantischen Werk verfasste Mawlana noch eine Sammlung von Prosaschriften (fihi ma fihi), arabische Predigten und einige Abhandlungen.

Der Mevlevi-Orden

Der von Rumi inspirierte Mevlevi-Orden wurde erst nach seinem Tod etabliert, hauptsächlich durch seinen Sohn Sultan Weled und Celebi Husameddin. Mit der Institutionalisierung wollte man die Lehren Rῡmīs weitergeben. Regelmäßige Treffen mit Lesungen aus dem Koran und aus dem Mesnevi sollten die Spiritualität stärken und zu tiefer Gotteserkenntnis verhelfen. Der erste Sheikh des Ordens wurde Celebi Husameddin. In dieser Zeit wurde die bis heute erhaltene grüne Kuppel über das Grab von Rῡmī errichtet, und der Ort wurde zur Pilgerstätte nicht nur für Mevlevi-Anhänger. Nach dem Tod Celebi Husameddins wurde das Amt des spirituellen Führers an den Sohn Sultan Weled übertragen. Die Mevlevi stärkten ihre Beziehung zu den Seldschuken und verbreiteten sich immer rasanter. Zur Zeit der Osmanen wurde der Orden finanziell stark unterstützt, und heute ist er weltweit verbreitet.

Das Sama (Wirbeltanz) ist ein fester Bestandteil der Mevlevis. Die aus vier Hauptteilen (Selam) bestehende Mevlevi-Zeremonie (kurz Sama genannt) wird stets mit einem Lobgedicht (naat) auf den Propheten eingeleitet. Jedes einzelne Element der Zeremonie hat eine wichtige Bedeutung und stellt insgesamt die verschiedenen Stufen auf dem Weg zu Gott dar. Mit dem Ablegen des dunklen Umhangs lassen die Derwische alles Weltliche hinter sich und beginnen sich in tiefer Versunkenheit zu Gott zu drehen.

Heutzutage wird das Sama auch oft für touristische Zwecke verwendet, wenngleich die anderen Bestandteile (neben dem Wirbeltanz) nicht beachtet werden, und verliert dadurch oftmals seinen ursprünglich spirituellen Charakter.

Şeb-i Arûs Woche in Konya

Schon seit über 80 Jahren wird in Konya vom 7.12 bis 17.12 der Todesnacht Rῡmīs besonders gedacht. Dabei gibt es ein vielfältiges Programm, bestehend aus Vorträgen, Konferenzen, Kunstausstellungen, Methnewi-Lesungen und natürlich Aufführungen der Mevlevi-Zeremonie. Tausende Teilnehmer und Zuschauer aus dem In- und Ausland sind jährlich dabei. Dieses Jahr steht das Programm unter dem Motto „İRFAN VAKTİ“ (Zeit der spirituellen Erkenntnis). In der Ausführung zum Motto heißt es, dass die Grundlage einer jeden Wissenschaft die Selbsterkenntnis ist.

Das Wort Şeb-i Arûs bedeutet "Hochzeitsnacht". Rῡmī zählte den Tag seines Todes als "Wiedersehen mit dem Schöpfer". Ein koranischer Vers, der beim Vernehmen einer Todesnachricht stets von Muslimen rezitiert wird, besagt nämlich: „Von Gott kommen wir und zu Ihm kehren wir zurück.“

Folgende Verse aus dem Mathnawi verdeutlichen Rumis Beschreibung der Rückkehr zu Gott und somit zum eigenen Ursprung.

„Wenn sie am Tage des Todes

Tief in die Erde mich senken,

Daß mein Herz dann noch auf Erden

Weile, darfst du nicht denken! ...

Siehst meine Bahre du ziehen,

laß das Wort >Trennung< nicht hören,

Weil mir dann ewig ersehntes

Treffen und Finden gehören!

Klage nicht >Abschied, ach Abschied!<,

wenn man ins Grab mich geleitet:

Ist mir doch selige Ankunft

Hinter dem Vorhang bereitet!“

(aus Mathnawi, übersetzt von Annemarie Schimmel)