Aztekische Ritualtänzer treten auf dem Hollywood Forever Cemetery während der 19. jährlichen „Dia De Los Muertos“-Feier des Friedhofs in Hollywood, Kalifornien, am 27. Oktober 2018 auf. (AFP)
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In einem Kanu kommt der aztekische Herrscher Cuauhtémoc am 13. August 1521 zu seinem Feind, dem Spanier Hernán Cortés. Er kommt, um sich zu ergeben. Seine Stadt Tenochtitlán, die Hauptstadt des Aztekenreichs inmitten eines Sees, besteht nach monatelangen Kämpfen nur noch aus Trümmern, viele Zehntausende wurden getötet. Heute ist dieser Ort Teil von Mexiko-Stadt.

Cortés war im April 1519 mit 553 Soldaten, zehn Kanonen und 16 Pferden nahe dem heutigen Veracruz am Golf von Mexico gelandet. Er war auf eigene Faust von Kuba aus losgesegelt, Gerüchten über goldreiche Länder im Westen folgend. Diese Gerüchte erwiesen sich als wahr. Die Spanier trafen auf eine Welt, die ähnlich organisiert war wie das alte Griechenland. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner gehörten überwiegend zu einer Ethnie, den Nahua. Sie lebten in Stadtstaaten, die oft bitter miteinander verfeindet waren.

Tribute im Aztekenreich umfassten auch Menschenopfer

Die bei weitem Stärksten in diesem Gefüge waren die Azteken. Auch sie waren Nahua. Der Kern ihres Reichs war Tenochtitlán, dessen Einwohner sich selbst Mexica nannten. Städte oder Provinzen des aztekischen Reichs hingen in unterschiedlichen Graden von den Mexica
ab, sie mussten Krieger stellen oder Tribute in Form von Gold, Nahrung oder Menschenopfern zahlen. Dieses Machtgefüge hielten die Mexica mit militärischer Gewalt zusammen.

„Hoch und stolz ragten die festgemauerten, steinernen Türme, Tempel und Häuser mitten aus dem Wasser“, erinnert sich der Chronist Bernal Díaz del Castillo, der als Soldat dabei war, als die Spanier erstmals die aztekische Hauptstadt erblickten. „Einige unserer Männer
meinten, das seien alles nur Traumgesichter.“ Tenochtitlán war mit geschätzt 250.000 Einwohnern die größte Stadt Amerikas und eine der größten Städte der Welt.

Tenochtitlán lag inmitten des Texcoco-Salzsees und war mit dem Ufer durch Dämme und Süßwasserleitungen verbunden. Im Zentrum ragten gewaltige Tempelpyramiden in den Himmel. In ihnen standen reich mit Gold geschmückte Götterfiguren. Auf künstlichen Inseln, den „Schwimmenden Gärten“, bauten die Mexica Mais, Kürbisse und Bohnen an.

Kolonialherrschaft der Europäer wahrte in vielen Bereichen Kontinuität

Der Fall Tenochtitláns und des Aztekenreichs gilt vielen heute als Zäsur, sowohl für die Geschichte Europas als auch Amerikas: Erstmals habe eine europäische Macht ein Reich auf einem anderen Kontinent zerstört. Und für die indigenen Völker Amerikas war es der Beginn der Kolonialherrschaft der Europäer.

Der Altamerikanist Stefan Rinke von der Freien Universität Berlin allerdings betont: Die Spanier hätten nach der Eroberung Tenochtitláns noch Jahrzehnte gebraucht, ehe sie das Gebiet des heutigen Mexiko beherrschten. Er weist auch darauf hin, dass die Spanier das Aztekenreich keineswegs zerstört, sondern nur übernommen hätten: „Wir wissen heute, dass die Kontinuitäten damals größer waren, als die Spanier uns weismachen wollten.“

„Für die Indigenen ging das Leben danach normal weiter, für die Feinde der Azteken allemal“, sagt Rinke, der Belege dafür in den Quellen anführt: „Die indigenen Chronisten schrieben ihre Annalen danach weiter, als sei nichts geschehen.“

Cortés habe von Erfolgen berichtet, die es nicht oder noch nicht gegeben habe. Und auch eine weitere Legende hat ihren Ursprung in Cortés Prahlerei: der Glaube, ein paar hundert spanische Soldaten hätten ausgereicht, um das aztekische Reich zu Fall zu bringen. In
Wahrheit war Cortés gar nicht allein auf sein Häuflein angewiesen gewesen.

Nur ein Prozent der Angreifer Spanier

Unterworfene Völker wie die Totonaken beklagen sich bei ihm über die Last der aztekischen Tribute. Er bestärkt sie darin, die Herrschaft der Mexica abzuschütteln. Zugleich verspricht er dem aztekischen Herrscher Moctezuma II., ihn gegen die Aufständischen zu unterstützen. Verbündete findet Cortés genug, vor allem unter den Tlaxcalteken, die ihm mit tausenden Kriegern helfen. Das Heer, das Tenochtitlán am Ende einnimmt, besteht nur zu rund einem Prozent aus Spaniern.

Als die Europäer ankommen, weiß Moctezuma zunächst nicht, wie er auf sie reagieren soll. Er lässt sie schließlich nach Tenochtitlán herein. Als aztekische Tributeintreiber in Veracruz einen Spanier töten, nimmt Cortés Moctezuma in dessen eigener Hauptstadt gefangen. Nun hat Cortés das Sagen in der Stadt.

Aber beinahe scheitert er. Als er die Stadt für einige Zeit verlässt, bringt sein Stellvertreter 600 adlige Mexica um. Der Massenmord löst einen Aufstand aus. Die Spanier fliehen, aber auf einem der Dämme über den Texcoco-See holen die Ureinwohner sie ein. „Die Mexikaner waren so zahlreich und griffen so heftig an, dass wir die Brücke nicht zurückerobern konnten“, beschreibt der Chronist Bernal Diáz del Castillo später. „Dafür füllte sich der Kanal mit toten Pferden und ihren Reitern, die von den Nachdrängenden ins Wasser
gestoßen wurden.“ Viele Spanier ertrinken, weil zusammengerafftes Gold sie unter Wasser zieht. Bei dem Aufstand stirbt auch Moctezuma.

Sein Nachfolger Cuauhtémoc verteidigt Tenochtitlán gegen die Spanier, die mit ihren indigenen Verbündeten bald wieder vor der Stadt stehen. Monatelang toben Kämpfe, ehe Cortés siegt. Nach dem Fall der Stadt lässt dieser den indigenen Adel aber in seinen
Funktionen. Die eigentliche Katastrophe - Seuchen, gewaltsame Christianisierung, Sklaverei - trifft die Ureinwohner erst später.

Artikelquelle: epd

Agenturen