Es ist eine einmalige Aktion - und ein großes Experiment: Vom 1. Juni an sollen Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr für 9 Euro pro Monat Busse und Bahnen nutzen können, bundesweit und bis Ende August. Die Verkehrsbranche wurde von den Plänen der Regierungskoalition überrascht und arbeitet nun unter Hochdruck an der Umsetzung. Sie will versuchen, neue Kunden bei der Stange zu halten. „Die Aktion soll möglichst kein Strohfeuer bleiben“ sagte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), am Mittwoch in Berlin. Wie das 9-Euro-Monatsticket funktionieren soll:
Geltungsbereich:
Das günstige Ticket soll bundesweit gelten. Das bedeutet: wer ein solches in Berlin kauft, kann damit auch Busse und Bahnen in Hamburg, München oder in anderen Städten nutzen. Wer bereits ein Abo hat, für den sollen Vorteile weiterhin gelten, in Berlin ist das etwa an Wochenenden die kostenlose Mitnahme von Kindern. Das soll aber nur für das vertragliche Tarifgebiet gelten. Für Neukunden gilt das Ticket für die Person, die es erworben hat.
Das 9-Euro-Ticket wird im Juni, Juli und August angeboten. Es gilt bis zum Ende des Monats, in dem es gekauft wurde. Die Monatskarte verlängert sich nicht automatisch. Das Ticket gilt auch für den Regionalverkehr, nicht aber für den Fernverkehr der Deutschen Bahn - also nicht für ICE, IC oder EC.
Wo das Ticket erhältlich ist:
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte empfohlen, den Rabatt über ein Online-Ticket anzubieten. Dies biete auch die Chance für einen Schub bei der Digitalisierung. Das aber würde Menschen ohne Online-Zugang ausschließen. Deswegen soll das 9-Euro-Monatsticket auch über Fahrkartenautomaten und Kundencenter erhältlich sein. Geplant ist laut VDV auch eine bundesweite App. Der Verband plant eine bundesweite Informationskampagne auch mit einer digitalen Plattform.
Abonnements:
Für Abonnentinnen und Abonnenten etwa von Monatstickets soll es laut VDV einen „Treuebonus“ geben. Abokunden sollen sich um nichts kümmern müssen. Das 9-Euro-Monatsticket soll verrechnet werden - über eine Verringerung des Bankeinzugs oder eine Erstattung. Andernfalls war die Befürchtung, dass viele Kunden ihre Abos kündigen könnten. Auch für Semestertickets soll es eine Lösung geben.
Neukunden:
Für Neukunden soll das Ticket ein „Schnupperticket“ sein. Es soll laut VDV „im Laufe des Mais“ verfügbar sein. Neukunden sollen, sofern sie dem zustimmen, von den Verkehrsunternehmen Anschlussangebote bekommen. Die Branche will die Chance nutzen, durch das Ticket dauerhaft neue Kunden zu gewinnen - nach starkem Rückgang der Fahrgastzahl in der Corona-Pandemie.
Sorge vor übervollen Zügen:
Das Ticket soll am 1. Juni starten, das ist ein Mittwoch - am Wochenende darauf ist Pfingsten. Das macht es möglich, für ein langes Wochenende mit dem Regionalexpress für 9 Euro zum Beispiel von Berlin aus an die Ostsee zu fahren, das ist dann deutlich günstiger. Oder man fährt statt mit einem ICE oder IC mit einer oder mehreren Regionalbahnen von A nach B.
Der Fahrgastverband Pro Bahn warnte bereits vor übervollen Zügen auf touristisch beliebten Strecken. Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann sagte der „Rheinischen Post“, dafür müssten mehr Züge bestellt werden. VDV-Hauptgeschäftsführer Wolff sagte, falls es zu übervollen Zügen komme, sei es schwierig, zusätzliche Züge anzubieten. „Mit diesem Umstand werden Bund und Branche gemeinsam umgehen müssen.“ Es gebe schlicht nicht mehr Kapazitäten.
Ein Sprecher der Deutschen Bahn sagte, alle DB-Regio-Fahrgäste würden vom 9-Euro-Ticket profitieren. „Im Regionalverkehr modernisieren, digitalisieren und erweitern wir die Kapazitäten kontinuierlich weiter.“ Die Nutzung im Nahverkehr nehme wieder deutlich zu. In den vergangenen zwei Jahren habe die DB rund 1,5 Milliarden Euro allein in die Erneuerung der Fahrzeugflotte im Regionalverkehr investiert. „Diese kontinuierliche Modernisierung ist ein stetiger Attraktivitätsschub für Bahn und ÖPNV – auch für den Zeitraum des 9-Euro-Tickets.“
Der VDV rechnet nach einer ersten vorsichtigen Schätzung damit, dass insgesamt 30 Millionen alte und neue Fahrgäste das Ticket nutzen, Ziel der Ampel-Koalition ist es, dass möglichst viele Autofahrer umsteigen, allerdings gilt das Ticket nun mitten in der Ferienzeit.
Finanzierung:
Der Bund hatte zugesagt, die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket von insgesamt 2,5 Milliarden Euro zu übernehmen. Das Geld müsse vor dem Start über die Länder bei den Unternehmen und Verbünden sein, so der VDV. Notwendig ist eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes, auf dessen Basis Regionalisierungsmittel vom Bund an die Länder gezahlt werden zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs. Der Zeitplan ist eng, bis zum 20. Mai müssten Bundestag und Bundesrat zustimmen.
Die Länder fordern zudem vom Bund weitere Milliardenhilfen für die Verkehrsunternehmen, um etwa Kostensteigerungen bei Energiepreisen ausgleichen zu können - und damit nicht nach dem Auslaufen des 9-Euro-Monatstickets die Tarife nach oben schießen, im Vergleich zum jetzigen Stand. In Länderkreisen war von schwierigen Verhandlungen die Rede. Es wird aber nicht damit gerechnet, dass die Länder das 9-Euro-Monatsticket über diesen Hebel noch stoppen.
13 Apr. 2022
Was geplant ist: 9-Euro-Monatsticket soll im Juni kommen
Das 9-Euro-Ticket für Busse und Bahnen soll im Juni kommen. Im Koalitionsausschuss wurde dieser Schritt Ende März in einer Nachtsitzung beschlossen. Fahrgäste können das Ticket im öffentlichen Nahverkehr nutzen – bundesweit und bis Ende August.
dpa
Ähnliche Nachrichten
Inflation-Umfrage: Immer mehr Deutsche fühlen sich in der Existenz bedroht
Während ein geringer Teil der Bevölkerung die Auswirkungen der Inflation nicht spürt, bangen viele andere um ihre Existenz. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor. Jeder Dritte muss demnach auf sein Erspartes zurückgreifen – so lange es geht.
Selbe Kategorie
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.