An einem polnischen Gesetzesvorhaben hat sich ein neuer Streit zwischen Israel und Polen entzündet. Der polnische Botschafter in Israel, Marek Magierowski, wurde am Sonntag für eine Rüge ins israelische Außenministerium in Jerusalem einbestellt. Das Außenministerium in Warschau gab bekannt, die Geschäftsträgerin der israelischen Botschaft, Tal Ben-Ari Jaalon, sei für Montag einbestellt worden.
Der Streit entzündet sich an einer geplanten Gesetzesnovelle zu verwaltungsrechtlichen Verfahren, die die erste Kammer des polnischen Parlaments am Donnerstag verabschiedet hatte. Darin heißt es unter anderem, dass Verwaltungsentscheidungen nach dem Ablauf einer Frist von 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Dem Entwurf muss noch die zweite Kammer des polnischen Parlaments, der Senat, zustimmen. Die World Jewish Restitution Organization (WJRO) kritisierte die Vorlage: „Das neue Gesetz würde es für Holocaust-Überlebende und ihre Familien sowie andere jüdische und nichtjüdische rechtmäßige Eigentümer praktisch unmöglich machen, während des Holocaust und der kommunistischen Ära geraubten Besitz zurückzubekommen oder dafür entschädigt zu werden.“
90 Prozent der Anträge auf Wiedererstattung von der Regelung betroffen
Israel äußerte sich „tief enttäuscht“ über den Vorstoß. Dieser werde sich laut Experten negativ auf 90 Prozent der Anträge auf Wiedererstattung von Besitztümern durch Holocaust-Überlebende und deren Nachkommen auswirken, sagte ein ranghoher Repräsentant. Im Gespräch mit dem israelischen Rundfunk verteidigte Botschafter Magierowski das Vorgehen Polens und sagte, er habe den Eindruck, in Israel habe „niemand das Gesetz gelesen“. Israels Außenminister Jair Lapid hatte Polen am Donnerstag scharf kritisiert. „Dieses Gesetz ist unmoralisch und wird den Beziehungen beider Länder schwer schaden“, schrieb er bei Facebook. Bereits 2018 hatte Polens umstrittenes Holocaust-Gesetz das Verhältnis erschüttert.
Hintergrund für die neue Gesetzesänderung ist eine Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2015. Das Gericht hatte damals geurteilt, es sei nicht mit den rechtsstaatlichen Prinzipien eines demokratischen Staates vereinbar, wenn die Möglichkeit bestehe, eine administrative Entscheidung, die unter Rechtsverstoß zustande gekommen sei, ohne jede zeitliche Begrenzung anzufechten.