Heute vor zwölf Jahren starb Necmettin Erbakan, der erste offen islamisch-konservative Regierungschef von Türkiye. Monate nach den Wahlen 1995 wurde er als Ministerpräsident des Landes vereidigt und hatte das Amt inne, bis er am 28. Februar 1997 vom türkischen Militär zum Rücktritt gezwungen wurde. Bei dem „Postmodernen Putsch“ musste Erbakan ein Reihe von antidemokratischen Dekreten unterzeichnen. Diese sahen ein Kopftuchverbot, die Schließung von Koranschulen und weitere Maßnahmen vor.
Einflussreicher Politiker und erfolgreicher Akademiker
Erbakan galt nicht nur als einflussreicher Politiker seiner Zeit, sondern blickte bereits auf eine erfolgreiche Karriere als Ingenieur und Akademiker zurück. Mit seinem Know-how setzte er sich für die wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit von Türkiye und der gesamten islamischen Welt ein. Er gründete eine Reihe islamischer Parteien und Bewegungen, die oft verboten oder umbenannt wurden. In mehreren türkischen Regierungen fungierte der konservative Politiker als Koalitionspartner und Vizeregierungschef.
Erbakan ist auch als politischer Ziehvater der regierenden AK-Partei und ihrer Gründungsmitglieder bekannt, darunter der ehemalige Staatschef Abdullah Gül und der heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.
Promotion in Deutschland
Der 1926 in der türkischen Provinz Sinop geborene Erbakan hatte Maschinenbau an der Technischen Universität Istanbul studiert. 1951 ging er nach Deutschland, wo er an der Technischen Hochschule Aachen promovierte und als Chefingenieur für Panzermotoren arbeitete. 1965 kehrte er nach Türkiye zurück und gründete mehrere islamisch orientierte Parteien, die jedoch alle vom streng laizistischen Staat verboten wurden.
Prof. Dr. Necmettin Erbakan hat mit seinem Wirken die türkische Politik nachhaltig geprägt. Er starb 2011 in Ankara, nachdem er von der Politik verbannt worden war. Die Politik-Legende spielte eine wichtige Rolle bei der Neudefinition der Identität des Landes. Seine Ideen und Strategien beeinflussen die türkische Politik bis heute. Da Türkiye seinen Balance-Akt zwischen Tradition und Reform fortsetzt, wird Erbakans Vermächtnis auch weiterhin für Faszination und Kontroversen sorgen.