Misshandlungsvorwurf gegen Erzieherin – StA: „Kein öffentliches Interesse“ (Symbolbild) (dpa)
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von Feride Tavus

Eine Erzieherin der Bochumer Kita „Don Bosco“ soll eine Vierjährige mit Behinderung geschubst haben – TRT Deutsch berichtete darüber. Die katholische Einrichtung der Caritas zeigte sich nicht kooperativ bei der Aufklärung der Vorwürfe. Statt diesen nachzugehen, kündigte sie der Familie per E-Mail den Kita-Platz.

Daraufhin stellte die Familie Anfang März gegen die Erzieherin Strafanzeige. Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat nun das Ermittlungsverfahren eingestellt. Begründung: Eine Anklage liege „nicht im öffentlichen Interesse“.

Obwohl im konkreten Fall der Vorwurf gegen eine Erzieherin auf Misshandlung von Schutzbefohlenen lautet, wird dem Tatvorwurf nicht weiter nachgegangen. Diese Entscheidung wird nicht einmal mit fehlendem Tatverdacht begründet. Vielmehr fehle das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Dabei musste sich die Erzieherin nicht einmal zum Vorfall äußern. Die Beschuldigte sei zudem nicht vorbestraft, heißt es in der Einstellungsverfügung weiter.

Der Bochumer Kinderseelenschützer e. V. betreut seit dem Vorfall in der Kita „Don Bosco“ die betroffene Familie in ihren Bemühungen um Aufklärung. Für den Vorsitzenden Dennis Engelmann ist die Verfahrenseinstellung „unfassbar und ungerecht“. Das Wort eines Kindes bleibe unberücksichtigt, weil die Justiz „lieber Täterschutz als Opferschutz“ betreibe. So komme eine Erzieherin davon und das geschädigte Kind bleibe auf der Strecke. Im Gespräch mit TRT Deutsch erläutert Engelmann, was das Novum in diesem speziellen Fall sei.

Die Ermittlungen zum Körperverletzungsvorwurf an einer Kita in Bochum wurden mit der Begründung eingestellt, es gebe kein öffentliches Interesse daran. Was bedeutet das?

Zunächst ist es einmal wichtig zu erwähnen, dass ich kein Rechtsanwalt bin und somit nicht wie ein Anwalt auf diese Frage antworten kann. Das öffentliche Interesse an Verfahren hängt davon ab, wie schwer eine Straftat ist und wer unmittelbar davon betroffen ist. In dem hier vorliegenden Fall liegt laut der Staatsanwaltschaft Bochum kein öffentliches Interesse vor, weil die vorgeworfene Straftat nur die Erzieherin und das geschädigte Kind betreffe. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Vermutung, weil eben nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere Kinder betroffen sind, aber sich vielleicht noch nicht getraut haben, darüber zu sprechen.

Die Körperverletzung sei nicht erheblich gewesen und würde keine bleibenden Schäden hinterlassen. Was muss erst passieren, damit ermittelt wird?

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ein Kind von einem Schaukelpferd geschubst wird und danach psychische Auffälligkeiten zeigt (Schlafstörungen, Ängste etc.), darf man eigentlich nicht von einer unerheblichen Körperverletzung sprechen. Das Kind mag vielleicht keine bleibenden körperlichen Schäden davongetragen haben, sehr wohl aber seelische Schäden. Die seelischen Schäden bleiben hier komplett unbeachtet. Es kann ja nicht sein, dass Kinder erst schwere sichtbare Verletzungen davontragen müssen, bis die Justiz von einer erheblichen Körperverletzung spricht.

Dennis Engelmann – 1. Vorsitzender der Kinderseelenschützer e. V. (Dennis Engelmann)


Die Erzieherin hat sich im Ermittlungsverfahren nicht geäußert. Warum wurde sie nicht befragt?

Die Erzieherin wird sehr wahrscheinlich eine Vorladung bekommen haben und dann entweder entschieden haben, nicht zu erscheinen oder sie ist der Vorladung nachgekommen und hat sich dann dazu entschieden, nichts zu dem Vorwurf zu sagen.

Eine Erzieherin in einer kirchlichen Kita steht im Verdacht, ein Kind geschubst zu haben. Steht die Prüfung eines solchen Sachverhalts nicht im öffentlichen Interesse?

Juristisch gesehen - laut Staatsanwaltschaft - nicht. Dennoch ist das Verhalten der Caritas sehr bedenklich, die anscheinend keine Anstrengungen unternommen hat, um den Sachverhalt transparent aufzuklären. Das wirft viele Fragen auf.

Könnten Eltern anderer Kinder sich nicht für eine Aufklärung einsetzen?

Das betroffene Kind ist nicht mehr in der Kita, da der Kita-Platz fristlos gekündigt wurde. Die anderen Eltern haben ja gesehen, wie die Einrichtung mit solchen Vorwürfen umgeht und haben wahrscheinlich jetzt selbst Angst, laut dagegen vorzugehen.

Welche weitere Option bleibt der Familie, um ihr Recht geltend zu machen?

Die Eltern können versuchen, über den Privatklageweg gegen die Erzieherin vorzugehen. Über die Erfolgschancen kann ich an dieser Stelle nichts sagen.

Wie gehen Sie als Kinderseelenschützer e. V. in der Regel mit solchen Fällen um?

In der Vergangenheit wurden wir schon häufiger mit solchen Fällen konfrontiert. In der Regel reagiert eine Einrichtung darauf, wenn wir sie zu einer Stellungnahme auffordern. So konnten schon mal solche Sachverhalte besprochen und geklärt werden. Spätestens nach der Strafanzeige wurde dann seitens der Einrichtung gehandelt und eine Erzieherin dann aus der Einrichtung genommen, um das Vertrauen wiederherzustellen. Dieser Fall hier ist ein Novum für uns, weil weder nach außen noch intern reagiert wurde.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch