Ein im Mai festgenommener terrorverdächtiger Gymnasiast aus Essen hat offensichtlich seit langer Zeit einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag an seiner Schule geplant. Er habe es „über Jahre verstanden, sich vollständig zu verstellen und von allen unbemerkt ein ausgeklügeltes Anschlagsszenario zu planen“, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dem Fall. (Az. StB 37/22)
Aus dem Schriftstück vom 25. August geht auch hervor, dass der inzwischen 17-Jährige zwischenzeitlich für vier Wochen aus der Untersuchungshaft frei war. In dieser Zeit sei er freiwillig zur stationären Behandlung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie gewesen. Den Ausführungen zufolge hatte ein BGH-Ermittlungsrichter den Deutschen am 27. Juli aus der U-Haft entlassen. Einen Monat später setzte der zuständige BGH-Strafsenat auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts hin den Haftbefehl wieder in Kraft.
Zur Begründung heißt es, es bestehe weiterhin ein dringender Tatverdacht, der auch vom Beschuldigten und dessen Verteidiger nicht in Abrede gestellt werde. „Die gefestigte rassistische Gesinnung des Beschuldigten, seine massive Gewaltbereitschaft und der von ihm über mehrere Jahre für die Tat betriebene Aufwand sprechen in hohem Maße für seine schädlichen Neigungen und die Schwere der Schuld.“
Ermittler: Damals 16-Jähriger wollte am Gymnasium Blutbad anrichten
Die Ermittler gehen davon aus, dass der damals 16-Jährige am 13. Mai am Essener Don-Bosco-Gymnasium ein Blutbad anrichten wollte. Er war einen Tag vorher nach dem Hinweis eines Mitschülers im Elternhaus festgenommen worden. Damals hatte es auch geheißen, es gebe Hinweise auf psychische Probleme. Die Bundesanwaltschaft hatte am 16. Mai die Ermittlungen von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf übernommen, wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falls. Es hätten „Lehrer sowie eine größere Anzahl von Schülern getötet werden“ sollen.
Laut BGH hatte der Generalbundesanwalt zugesichert, „unverzüglich“ zu prüfen, ob der Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt werden könne, um die Fortsetzung der Behandlung zu ermöglichen. Dazu war bei der Bundesanwaltschaft zunächst niemand zu erreichen.
Polizisten hatten bei dem Schüler unter anderem Armbrüste, Messer, Macheten, Luftdruckpistolen und Materialien für Rohrbomben gefunden - „alles, was für den Bau einer Sprengvorrichtung (...) wesentlich ist“, schreibt der BGH. Inzwischen hätten Sprengversuche gezeigt, dass damit „letale Splitter“, also tödlich wirkende Splitter, hätten erzeugt werden können. Die Einzelheiten seines geplanten „Massakers“ habe der Jugendliche in einem Tagebuch und einem „Manifest“ ausgearbeitet. Außerdem habe er umfangreiche Handlungsanweisungen für Nachahmer verfasst und Videobotschaften aufgezeichnet.
Gymnasiast sprach „offen von seinen Mordfantasien“
Weiter heißt es, der junge Mann habe gegenüber JVA-Bediensteten „offen von seinem Anschlagsplan, seinen Mordfantasien, seinem Ausländerhass“ und seiner Bewunderung für frühere rechtsextremistische Attentäter gesprochen und „hiervon bisher keinen Abstand genommen“. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er insgeheim eine Aufdeckung ersehnt habe. Im Gegenteil: Er habe „verschiedentlich betont, welch große Anstrengungen er unternahm, um unentdeckt zu bleiben“. Die Rede ist von „blinder Entschlossenheit“.
Engere Freunde habe er nicht gehabt und sich nur „seinen imaginären rechtsextremistischen „Kameraden“ und einer virtuellen Figur aus einem Computerspiel verbunden gefühlt - darin begehe der Spieler in Gestalt eines Mädchens einen Amoklauf an einer Schule.
Aus dem Beschluss geht außerdem hervor, dass der Vater des Jugendlichen von einem Zeugen ebenfalls als rechtsradikal beschrieben worden sei. Einen Teil der Schlagringe, Macheten und Pistolen habe der Mann selbst im Elternschlafzimmer gehortet. Unter dem Bett habe der Vater eine NSDAP-Mitgliedsnadel des Großvaters aufbewahrt.