Opfer von Menschenhandel haben in Deutschland nach Einschätzung von Fachleuten oft Probleme, ihre Rechte wahrzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein in Berlin vorgestellter Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der nach Institutsangaben erstmals alle verfügbaren Daten zu diesem Thema zusammenfasst, sowohl von Behörden als auch Beratungsstellen.
Wo Menschenhandel stattfindet
„Menschenhandel findet tagtäglich in Deutschland statt, etwa in der Pflege, im Haushalt, in der Prostitution, in der Landwirtschaft, der fleischverarbeitenden Industrie oder im Baugewerbe“, sagte die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf. Bei aller Unterschiedlichkeit der Branchen gelte: „Sie sind personalintensiv und setzen weder spezielle Qualifikationen noch Sprachkenntnisse voraus.“ Viele Betroffene blieben im Verborgenen, weil sie sich schämten, bedroht würden oder Angst hätten vor Repressalien.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte wird vom Bund finanziert und arbeitet unabhängig. Es forscht und berät zu den Menschenrechten und berät die Politik.
Wer betroffen ist
Bei sexueller Ausbeutung stellten Ermittler laut Bericht vor allem Betroffene aus Deutschland, Rumänien, Bulgarien, China, Ungarn, Thailand und Vietnam fest. Bei Beratungsstellen meldeten sich vornehmlich Menschen aus Nigeria und anderen westafrikanischen Staaten. Betroffene von Arbeitsausbeutung kommen demnach überwiegend aus der Ukraine, Rumänien, Georgien, Bosnien und Herzegowina sowie Bulgarien.
Der Bericht, der künftig alle zwei Jahre erscheinen soll, erfasst Daten aus dem Zeitraum 2020 bis 2022. In dieser Zeit haben Ermittlungsbehörden demnach 3.155 Betroffene identifiziert, im Schnitt also fast drei pro Tag. Es sei aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Auf einen männlichen kommen zwei weibliche Betroffene. Bei sexueller Ausbeutung sind den Angaben zufolge mehr als 90 Prozent der Betroffenen Frauen, im Bereich der Arbeitsausbeutung sind mehr als die Hälfte Männer. Laut Bundeskriminalamt (BKA) ist insgesamt fast jeder Vierte minderjährig.
Institut: Mehr Schutz für Opfer nötig
Deutschland müsse besser werden beim Schutz der Opfer von Menschenhandel, so das Institut. Es brauche Verfahren, um sicherzustellen, dass diese überall erkannt würden und dann schnell Zugang zu ihren Rechten bekämen, betonte Naile Tanis, die beim Institut die Berichterstattungsstelle Menschenhandel leitet.
So hätten Betroffene, wenn sie einmal als solche identifiziert seien, ein Recht auf Zeit, um sich von ihren Erfahrungen zu erholen und über eine Zusammenarbeit mit den Behörden nachzudenken. Allerdings hat laut Bericht nur die Hälfte aller sechzehn Bundesländer spezielle Schutzunterkünfte. Zudem hänge das Recht zum Aufenthalt in Deutschland von der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden ab, die Hürden seien hier aber hoch. Das Institut plädierte unter anderem dafür, Betroffenen grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht zu gewähren und mehr Beratungsstellen einzurichten.
Die Bundesregierung kündigte an, im kommenden Frühjahr solle ein Aktionsplan gegen Menschenhandel verabschiedet werden. Das hatten SPD, Grüne und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag vor bald drei Jahren vereinbart. Damit soll der Schutz Betroffener verbessert und die Strafverfolgung effizienter werden.