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In Pattaya ist die Welt noch in Ordnung - zumindest für Urlauber und Rentner, die deutsche Hausmannskost und die Bundesliga mögen. Die Restaurants heißen „Bei Gerhard“ oder „Alt Heidelberg“. Ein Lokal verspricht auf einem Schild „Jeden Freitag Ente / Jeden Samstag Schweinshaxe / Jeden Sonntag Spießbraten“. Pattaya erinnert an Mallorca. Die Touristenhochburg am Golf von Thailand ist aber auch für Sextourismus berüchtigt. Angeblich dauert es dort keine 24 Stunden, bis ein Deutscher eine Ehefrau findet.

Wenn man näher hinguckt, gibt es dort mehr als Rotlicht, Massage-Salons und Touristen, die mit nacktem Bierbauch durch die Straßen laufen. Die Stadt ist auch der Kosmos einer deutschen Nachkriegsgeneration: mit Rentnern, die nicht den schnellen Sex für Geld, sondern Geborgenheit und spätes Glück suchen. Viele Deutsche machen in Thailand Urlaub oder leben dort, um die 40.000 bis 60.000 sollen sich laut Schätzungen dauerhaft niedergelassen haben. Einige bleiben in Deutschland gemeldet, daher weiß man es nicht genau.

In Zeiten der Globalisierung ist es leichter geworden, im Alter als Rentner auszuwandern. Internet und Leberwurst, das gibt es fast überall auf der Welt. In Thailand sind die Wohnungen und die Pflege billiger als in Deutschland, auch für Demenzkranke finden sich eigene Angebote. Die Menschen sind freundlich, es ist sonnig und heiß. Aber ist das Leben tatsächlich so einfach?

Ein Ort, um das herauszufinden, ist das von der deutschen Kirche unterstützte Evangelische Begegnungszentrum in Pattaya. Zum Gottesdienst am Sonntag läuten die Kirchenglocken vom Band. Draußen im Café sind Bratkartoffeln und Thaicurry im Angebot, drinnen singen 50 Leute „Geh' aus mein Herz und suche Freud“. Pfarrer Burkhard Bartel feiert das Abendmahl. Dann werden unter den Ventilatoren Kaffee und Kuchen serviert. Eine Atmosphäre zwischen deutschem Seniorenheim und Tropen-Hostel. Manchmal verirrt sich ein Backpacker dorthin.

Der Betrieb in dem Zentrum läuft auch über Spenden - Sprachkurse, Kulturprogramm, eine Bücherei und der Gottesdienst, das ist das eine. Das andere: Seelsorge und Sozialarbeit. Das wird immer wichtiger. Davon kann Peter Hirsekorn (62) erzählen. Er leitet den weltlichen Teil des Zentrums. Er kommt aus Gelsenkirchen, ist selbst seit 26 Jahren mit einer Thailänderin verheiratet und vor dreieinhalb Jahren ausgewandert.

Das deutsche Publikum in Pattaya? Viele Witwer oder Geschiedene, nicht nur Sextouristen, sagt Hirsekorn. Auch er weiß: In Thailand ist es für deutsche Rentner leichter, eine Frau zu finden. Häufig münde das in einen „gegenseitigen Versorgungsanspruch“. Das Modell: Er gibt seine Rente an sie und ihre Familie ab, sie kümmert sich - idealerweise - um den Mann, wenn er ein Pflegefall wird. Oft kommen die Thailänderinnen aus einer ländlichen Region, dem Issan.

Hirsekorn sagt: „Was willst du als 82-jähriger Mann in Deutschland ohne Kinder? Wenn du da in der Wohnung tot umfällst, fängt es nach vier Wochen an zu riechen und die Leute merken erst dann, dass du tot bist. Das passiert hier, wenn man familiär eingebunden ist, nicht.“ Er erlebt, wie schwierig es ist, wenn die Rentner keine Krankenkasse haben. Neulich mussten bei einem zwei Zehen amputiert werden, erzählt Hirsekorn. Dann musste Hilfe organisiert werden: Was ist mit der Rechnung? In diesem Fall bekam das Zentrum Kontakt zur Tochter des Patienten.

An einem Tisch im Begegnungszentrum sitzt Claus-Peter Lippert (68) mit zwei thailändischen Frauen. Der ehemalige Realschuldirektor aus Bayern wollte eigentlich nie nach Thailand, aber seine Freunde haben ihn überredet, so dass er 2015 auswanderte. „Es ist ein anderer Planet hier.“ Gerade ist seine Freundin Naree Konram (36) für ein paar Tage bei ihm, auch deren Schwester ist da. Die Freundin spricht nicht so gut Englisch und wirkt etwas schüchtern. Was sie an ihm mag? Er habe „ein gutes Herz“.

Meino Berg drückt für die Gemeindebibliothek Stempel in die Bücher von Peter Scholl-Latour und Donna Leon. Der pensionierte Kapitänleutnant wollte schon immer auswandern. An Thailand mag er die Leute, das Klima, das Essen. Seine Frau hat der gebürtige Westfale übers Internet kennengelernt. Sie ist 35, er 73. Es sei „eine schöne platonische Ehe“, eine Partnerschaft, die in Liebe übergegangen sei. Sie müsse nicht mehr arbeiten. „Sie kocht fantastisch.“

dpa