Palästinensischer Chefunterhändler Saeb Erekat im Gespräch in Ramallah, Westjordanland (Reuters)
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Bundesaußenminister Maas hat am Mittwoch bei seinem Vermittlungsversuch in Israel die geplante Annexion palästinensischer Gebiete zwar als Rechtsbruch kritisiert, aber auf eine Drohung mit Konsequenzen verzichtete er.

TRT Deutsch sprach zu diesem Thema mit Saeb Erekat, dem Generalsekretär der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) und Chefunterhändler in den palästinensisch-israelischen Verhandlungen. Zu seiner Arbeitshistorie gehört unter anderem sein Einsatz beim Oslo-Friedensprozess von 1996.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas ist zu Besuch in Israel und will als Vermittler fungieren. Ein Besuch in Ramallah ist jedoch nicht geplant. Wie glaubwürdig ist die deutsche Initiative aus palästinensischer Sicht?

Saeb Erakat: Deutschland ist ein wichtiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft und wird im kommenden Monat den Vorsitz im Rat der Europäischen Union sowie im UN-Sicherheitsrat übernehmen. Die Bundesrepublik ist auch ein aktiver Verfechter des Multilateralismus und einer auf Regeln basierenden Weltordnung, ein Prinzip, das in Konflikt geriet. Das erfolgte, als Berlin den Internationalen Strafgerichtshof formell aufforderte, keine Untersuchung der in Palästina begangenen israelischen Verbrechen durchzuführen.

Wir befinden uns in einem ständigen Dialog mit Deutschland - in diesem sehr wichtigen Moment, wo Israel weiterhin als ein Staat über dem Gesetz behandelt wird und alle Aussichten auf Frieden im Nahen Osten schwinden.

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Shtayyeh erklärte, der deutsche Besuch in Ramallah sei von Israel verhindert worden. Wie beurteilen Sie solche Schritte vor dem Hintergrund einer Zwei-Staaten-Lösung?

SE: Soweit ich weiß, reisen Dutzende deutsche Diplomaten nach Ramallah - sie gehen ein und aus. Glaubt man wirklich, was Israel dem deutschen Außenminister gesagt hat? Ich persönlich glaube, dass damit ein negativer Präzedenzfall geschaffen wird: Wenn man kommt, um über die Zukunft Palästinas zu sprechen, dann sollte man auch nach Palästina kommen.

Wenn Sie versuchen zu vermitteln, dann ist es ein Grundprinzip, mit allen Seiten zusammenzukommen und dafür zu sorgen, dass sie sich alle gleichermaßen wichtig fühlen.

Minister Maas hat trotz seiner bekannten pro-israelischen Sympathien genügend Informationen, um zu erkennen, dass es Israel ist, das die Aussichten auf Frieden zerstört und eine auf Regeln basierende Weltordnung bedroht, und nicht Palästina, das eine sehr klare Vision von Frieden auf der Grundlage des Völkerrechts hat.

Am 1. Juli wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Welche Rolle spielt dieser Umstand im Falle einer israelischen Annexion?

SE: Die Annexion ist ein Verbrechen, so wie die laufenden israelischen Kolonialsiedlungen ein Verbrechen sind. Sie stellen eine Verletzung des Völkerrechts dar, weswegen Israel zur Rechenschaft gezogen werden sollte.

Wenn andere Erwägungen dem entgegenstehen, sollten diejenigen Seiten, die es vermeiden, Maßnahmen zu ergreifen, mit einer klaren Erklärung aussprechen, dass das Völkerrecht ihrer Ansicht nach für alle außer Israel gilt.

Da Deutschland dies nicht gesagt hat, erwarten wir von Deutschland, dass es das Nötige tut, einschließlich der Rechenschaftspflicht gegenüber Israel, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen.

Sollte Israel die Annexion durchsetzen, wie könnte die palästinensische Seite auf diese Entwicklung reagieren?

SE: Wir arbeiten mit der internationalen Gemeinschaft, auch mit Deutschland, zusammen, um eine Annexion zu verhindern. Sollte es dennoch zu einer Annexion kommen, werden wir entsprechend handeln.

TRT Deutsch