von Feride Tavus
Die Zahl an Hassposts und Hassbotschaften gegen Muslime im Netz hat zugenommen. Dies bestätigt auch Daniel Höltgen, der Sonderbeauftragte des Europarats für Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. Für die Institution befragte Höltgen zu diesem Phänomen Muslimverbände aus acht europäischen Ländern. Das Ergebnis: Hass und Hetze im Netz werden immer gefährlicher.
Hass im Netz gegen Muslime und gegen Juden nimmt zu. Ist es der Gesetzgeber, der zu wenig unternimmt?
Ich glaube, zumindest was Deutschland betrifft, ist der Gesetzgeber auf dem richtigen Weg. Nämlich mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und auf der europäischen Ebene mit dem Digital Service Act.
Dieser Digital Service Act sieht vor, dass die Plattformen sehr viel mehr Verantwortung übernehmen müssen für das, was gepostet wird. Vor allem dafür, was schlichtweg illegal ist. Und illegal ist Rassenhass in Deutschland, in Frankreich und in den meisten europäischen Ländern. Illegal sind Aufrufe zur Gewalt und zum Mord.
Darunter gibt es auch natürlich eine Schwelle, die nicht zwingend strafbar ist, nämlich die der Beleidigung. Das kann man nicht gesetzlich bekämpfen. Da muss man mit den Plattformen sprechen und vor allem mit den Nutzern. Mein Ansatz war, insbesondere was Judenhass und Muslimhass betrifft, zu sagen: Hier muss aber auch konkret durchgegriffen werden, wenn es sich um strafbare Inhalte handelt. Meine Umfrage hat ja gezeigt, es gibt strafbare Inhalte und die Plattformen haben nichts dagegen getan.
Folgen antisemitische und antimuslimische Hassposts ähnlichen Mustern?
Wenn in beiden Fällen eine Morddrohung ausgesprochen wird, wenn in beiden zu Gewalt gegen die jeweilige Gruppe aufgerufen wird, wenn solche Sätze fallen, wie ich sie zitiert habe - „Lasst uns muss alle Muslime ausradieren“ -, dann entspricht das genau dem, was wir auch vom Antisemitismus kennen.
Es ist gefährlich, weil, wie wir insbesondere in Hanau gesehen haben, aber auch in Halle, die Angreifer, wenn sie aus dem rassistischen, rechtsextremen Milieu kommen, da auch keine Unterschiede machen. Man kann natürlich die beiden Formen nicht unmittelbar vergleichen, aber aus dem zu schließen, was mir die muslimischen Verbände berichtet haben, ist es sehr ähnlich. Es ist auch strafbar und gehört nicht ins Netz.
Was ist neu am Hass gegen Juden oder Muslime ?
Das Phänomen Antisemitismus im Netz ist relativ neu und jetzt eben auch neu was Muslime betrifft. Ich habe in meinem Pressebriefing den Berichterstatter der Vereinten Nationen, Ahmed Shaheed, zitiert. Der hat sowohl zum Antisemitismus als auch zur Muslimfeindlichkeit im März einen Bericht abgegeben. Damit sind praktisch alle UN-Länder mit abgedeckt. Er sieht einen ernsthaften Anstieg beider Phänomene auch im Netz.
Ich darf daran erinnern, dass der Europarat sich schon vor mehr als zehn Jahren mit Muslimfeindlichkeit beschäftigt hat. Es bedarf aber eben ab und zu eines Weckrufs, um zu sagen: Was hier im Internet passiert, das ist gefährlich. Muslime sind eine große Gruppe und das kann nicht sein, dass aus rechtsextremen Motiven oder rassistischen Motiven diese große Bevölkerungsgruppe sich bedroht fühlt, und zwar in ihrer Sicherheit.
Gibt es denn auch nähere Erkenntnisse darüber, wer die Hass-Poster sind?
In Deutschland und Österreich wurden die Identitären Bewegungen genannt als häufige Poster von Hassrede. In anderen Ländern kommen sie überwiegend aus dem rechtsextremen Milieu, rechtsextremen Parteien, aber auch rassistischen und antisemitischen Gruppen. Was aber interessant war, ist, dass inzwischen die Hemmschwelle sinkt und man immer auch von Einzelpersonen Hassrede erfahren kann. Und diese offenbar keine Abscheu oder keine Scheu haben, so etwas unter Angabe ihres vollen Namens ins Netz zu stellen.
Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das politische Narrativ?
Ich habe in einem Interview in Österreich gesagt, dass man die Worte mit Bedacht wählen muss, und mein Beispiel war die Islam-Landkarte in Österreich. Ich halte sie für nicht besonders produktiv. Ich halte es für kontraproduktiv, wenn man die Karte unter den Titel „Bekämpfung politischer Islam“ stellt. Damit hat man eigentlich nichts gewonnen, weder für die Integration noch für die innere Sicherheit.
Wie gehen die Betroffenen mit den Hassposts um?
Viele haben gesagt, sie melden es nicht, weil sie glauben, es würde sich ohnehin nichts ändern. Auch dazu dient die Studie, nämlich zu sensibilisieren. Dass man vielleicht insgesamt in der Politik auch genauer zuhören muss bei der muslimischen Community.
Nimmt die Politik Hassposts in den Netzwerken nicht ernst genug?
In Deutschland ist es ja schon so, dass wir immerhin einen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit haben. Das habe ich in anderen Ländern nicht gesehen. Im nächsten Jahr wird die Antirassismus-Kommission ECRI eine allgemeine Politikempfehlung zu Muslimfeindlichkeit veröffentlichen. Hier geht es um Maßnahmen und Empfehlungen. Sie wird jetzt im September eine zum Antisemitismus veröffentlichen und dann eine zur Muslimfeindlichkeit Anfang nächsten Jahres. Die ECRI ist wirklich mit weitem Abstand eine der anerkanntesten Expertengruppen zu allen möglichen Rassismusfragen. Nicht nur zu Antisemitismus, sondern auch zu Muslimfeindlichkeit, dass passt auch zu meinem kleinen Beitrag.